Die beiden Donaueschinger Fabian Schedler (links) und Christian Hocher sind bei schönstem Wetter unterwegs über die Alpen. Im Hintergrund ist der Splügenpass zu sehen. Foto: Schedler/Hocher

Hohe Anstiege, atemberaubende Ausblicke, Muskelkater, Schluchten, Serpentinen und Schweiß: Zwei Donaueschinger haben sich an das Abenteuer Alpenüberquerung gewagt.

Donaueschingen - Doch nicht etwa mit dem Auto. Nein. Sondern mit Krafteinsatz in den Pedalen eines Rennrades. Von Donaueschingen geht es durch die Schweiz, vorbei an Lichtenstein nach Italien. Zielort: Domaso am Comer See. Fabian Schedler und Christian Hocher schafften die knapp 350 Kilometer, inklusive 3330 Höhenmeter, in weniger als 15 Stunden.

Anlass war eine Wette

"Wir waren vor zwei Jahren am Comer See im Urlaub", erzählt Schedler. Er habe dort im Spaß gesagt, dass die Strecke über die Alpen ein Klacks sei: "Das schaffe ich auch mit dem Fahrrad." Dann sei daraus im Freundeskreis eine Wette entstanden. "Der Wettinhalt waren dann sechs Kisten Fürstenberg-Bier. Da strengt man sich natürlich an", schmunzelt Schedler.

Eigentlich hätte das Abenteuer bereits im vergangenen Jahr stattfinden sollen. "Aber das ging aufgrund der Corona-Situation nicht," sagt Schedler. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: "Mir war klar, dass ich es diesen Sommer noch mal probieren wollte." Der erste Plan sah vor, dass Schedler die Überquerung allein vornehmen sollte. Vergangenen Winter habe dann auch Christian Hocher von der Geschichte Wind bekommen. "Wir haben bis Anfang des Jahres zusammen gewohnt." Sie sind gute Freunde und hatten beide Lust und den notwendigen Ehrgeiz, das Vorhaben zu meistern.Kurzerhand wurde die Route geplant. Möglichst kurz und gerade sollte sie sein – soweit dies in den Alpen möglich ist. "Das Ziel war der Campingplatz in Domaso", erklärt Schedler. Auch achteten die beiden auf Radwege, die gut in Schuss und befahrbar sind. So entstand der Plan für zwei Etappen: von Donaueschingen über den Bodensee, entlang des Rhein bis Thusis. Von dort aus schließlich über den Splügenpass nach Domaso.

"Es war eine gute Motivation sich auch während der Corona-Krise fit zu halten", erklärt Hocher. Es sei ein gutes Training gewesen und natürlich auch ein Ziel, auf das man habe hinarbeiten können, so der 27-Jährige weiter. Die beiden Freunde seien daher öfters joggen gewesen, um sich die notwendige Ausdauer anzutrainieren. Außerdem spielen beide auch für die DJK Donaueschingen Fußball. "Deshalb hatten wir eine sportliche Basis", erklären sie.

Viel Unsicherheit durch schlechten Sommer

Doch außergewöhnlich viel Fahrrad sind die beiden in der Vorbereitung nicht gefahren. Eine Tour gab es allerdings: Nach Arbon in die Schweiz. Die Gemeinde am Bodensee ist etwa 100 Kilometer entfernt. "So haben wir auch die ersten Kilometer der Strecke gekannt und wussten, dass wir uns nicht verfahren werden", sagt Schedler. Doch das Wetter habe ihnen oft einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn Fahrrad fahren bei Regen, "das macht einfach keinen Spaß", erklären sie.

Der schlechte Sommer brachte dann auch viel Unsicherheit mit sich. Lange dachten die Freunde, dass die Fahrt aufgrund des vielen Regens nicht stattfinden könne. Auch die Corona-Bedingungen erschwerten die Planung. Schließlich ein Lichtblick: "Es war wie ein Wink des Schicksals", freut sich Schedler. Denn zwei Tage vor Start lockerten sich die italienischen Corona-Bedingungen und auch das Wetter wurde besser. "Dann war auch noch unser Schnelltest negativ. Unserer Fahrt stand nichts mehr im Wege." Ausreden habe es nun keine mehr gegeben.

Mit vielen Müsliriegeln, Magnesium und Sportgetränken fuhren die Abenteurer frühmorgens los. Die erste Etappe sei noch recht machbar gewesen. "Doch der Muskelkater hat sich natürlich schon bemerkbar gemacht." Die beiden kehrten dann in Cazis in einem kleinen Hotel ein. Nach der Etappe gönnten sie sich erst mal eine Pizza, "natürlich für die Kohlenhydrat-Zufuhr", sagen sie. Dann kamen die Höhenmeter und das Hochgebirge rückte näher – und auch ein fantastisches Panorama: "Der Ausblick auf die Serpentinen und die Schluchten war einfach unglaublich", so die Radfahrer. Dennoch hatte es der Anstieg auf der alten Bergstraße Viamala ganz schön in sich. "Einen Tag vor uns ist die Giro de Italia die Strecke gefahren – allerdings bei Hagel." Deshalb seien auch die Straßen gut ausgebaut gewesen. "Wir hatten Glück mit dem Wetter, etwa 13 Grad und Sonnenschein." Dann ging es Richtung Splügen-Pass. "Wir haben uns den Anstieg hochgequält, und neben uns wurde sogar noch Ski gefahren", erzählen sie.

Reise nahezu ohne Gepäck

"Wir waren oben angekommen, sahen das leere Zollhaus und die italienische Flagge", sagt Schedler. Da hätten sie gewusst: "Wir haben es geschafft." Dies habe die ganzen Strapazen, die Anstrengung und den Muskelkater wieder wettgemacht. "Dieser Erfolg war ein unglaubliches Gefühl." Die Strecke haben die beiden nahezu ohne Gepäck hinter sich gebracht: "Deshalb haben wir uns auch umso mehr gefreut, dass nichts passiert ist." Denn die Route habe ihre Tücken und passieren könne immer etwas: geplatzte Reifen, Stürze oder schlimmere Verletzungen.

Gefeiert haben die Radfahrer dann stilecht in einem italienischen Café. Nur einen kleinen Stilbruch gab es: anstatt Wein tranken die Freunde etwa 20 Kilometer vor dem Campingplatz ein Bier. Auf dem Campingplatz ein großes Willkommen. "Dort wurden wir erstaunt von unseren Freunden begrüßt", sagt Schedler. Diese hatten mit den Radlern erst viel später gerechnet. Schließlich wurde richtig gefeiert, dieses Mal jedoch ohne Wette. Allerdings hat die beiden der Ehrgeiz gepackt: "Es werden sicherlich weitere Touren folgen", sagen Schedler und Hocher.

Wer von Graubünden in die Lombardei möchte, der nimmt dafür den Splügenpass, der auf rund 2114 Metern seine Scheitelhöhe hat. Dort befindet sich auch der Grenzübergang nach Italien, den Fabian Schedler und Christian Hocher genommen haben. Eine Überquerung des Passes ist mittlerweile nur noch tagsüber möglich, die Grenze ist in der Nacht geschlossen. Zwar ist hier vermutlich nicht Hannibal mit seinen Elefanten über die Alpen gegangen, allerdings war der Pass den Römern bekannt. Im Mittelalter war die Route über den Pass eine der wichtigsten Strecken. Die heutige Straße entstand erst 1822.