Gemeinsames Spielen im Wohnzimmer ist schön – auf das Aufräumen hinterher haben manche keine Lust. Foto: IMAGO/Westend61

Auf einen Lego-Stein zu treten, kann ganz schön weh tun. Bei den meisten Familien verteilen sich irgendwann Spielsachen der Kinder im ganzen Haus. Muss das sein? Unsere Autoren sind unterschiedlicher Meinung.

Die Lego-Burg, die Feuerwehrwache, der Einkaufsladen und der Streichelzoo: Sie können im Wohnzimmer eines Familienhaushalts ganz schön viel Platz einnehmen. Warum hat das Kind eigentlich so ein großes Zimmer, fragen sich manche Eltern, wenn es sein ganzes Zeug dann doch immer im Wohnzimmer aufbaut?

Manchmal versinkt beinahe die ganze Wohnung im Spielzeugchaos. Was kann die Lösung sein, damit alle sich noch wohlfühlen? Spielen im Wohnzimmer ganz verbieten? Jeden Abend alles aufräumen? Unsere Autoren sind unterschiedlicher Meinung.

Pro: Eltern müssen sich Wohnräume am Abend zurück erobern

Aufgekommen sind die Zweifel, als die Autorin dieses Textes eines Abends beim beiläufigen Kratzen am Kopf einen kleinen harten Gegenstand ertastete. Vor Schreck eilte sie vor den Spiegel und zupfte hastig am Wuschelhaar bis schließlich ein kleines silberfarbenes Objekt in ihrer Hand lag. Die Pistole eines Playmobilpolizisten. Lag wohl auf dem Sofa. Früher hätte man im Haar ein Blatt gefunden vom Knutschen am Badesee oder einen rosa Kaugummi von der durchfeierten Nacht im Club. Jetzt ist es eben das Spielzeug des Kindes.

Die Übergriffigkeit der Spielzeugwelt auf die ganze Wohnung ist kaum zu vermeiden. Das Kind will nicht allein im Zimmer sitzen, sondern bei den Eltern sein, und sind wir mal ehrlich, auch die Eltern haben es gern im Blick in den ersten Jahren. Spielen ist ja wichtig, oft auch lustig. Legendär bleibt der selbstzufriedene Ausdruck im Gesicht des Kindes nach dem Ausräumen ganzer Bücherwände, schaute man mal fünf Minuten nicht hin.

Wenn es schon sein muss, darf also gespielt werden im Wohnzimmer, aber müssen die Polizeiwache, der Hubschrauberlandeplatz und der Fachbedarfsladen für Anglerausrüstung tagelang stehen bleiben? Das Kind sagt: „Dieses Wohnzimmer gehört ja nicht nur dir.“ Klare Worte. Aber es muss auch verstehen, dass es, wie in Kita oder Hort, Spielsachen nach Spielende aufräumen sollte. Sonst versinkt die Welt endgültig im Chaos.

Für die Eltern ist schließlich nichts unglamouröser, als am Abend das Glas Rotwein auf dem Buch „Kasper Mütze und der Riese Wirrwarr“ abzustellen. Neben Familienauto, Familiensofa und Familienbett muss irgendwo auch noch Raum sein für die erwachsenen Menschen. Sagen wir so: Dieses Wohnzimmer gehört a u c h ihnen. Zumindest am Abend sollten sie es sich zurückerobern!

Eva-Maria Manz ist Reporterin im Team Psychologie und Mutter eines knapp achtjährigen Sohnes.

Kontra: Das Wohnzimmer als Spielplatz macht den Familienalltag lebendiger

Hürdenläufe durchs Wohnzimmer waren nervig. Zumal dieses Lego-Reich mit den ausladenden Duplo-Architekturen, dem bunten Playmobil-Personal und der vielfältigen Schleich-Tierwelt sich Richtung Essbereich und Küche ausbreitete. Wenn die Kinder dann ihre Bauwerke auch noch erhalten wollten und Aufräumen zum Tabu erklärten, fragte man sich als Eltern schon, ob man nicht in eine Randexistenz abgedrängt wurde und Gegenmaßnahmen ergreifen musste.

Solche Erwägungen gingen aber fast immer zugunsten der Kinder aus, wenigstens eine gewisse Zeit. Nicht nur, weil manchmal auch eigene Erzeugnisse unter den zusammengesteckten Sachen waren, die man mit den Kindern gebaut hatte und an denen man sich erfreute. Und wenn sie im Wohnzimmer spielten, hatte man sie immer um sich. Hätte man sie ins Kinderzimmer verbannt, man hätte nicht ihre wunderbare Hingabe und Selbstvergessenheit im Spiel erlebt. Man mag Friedrich Schillers berühmte Sentenz aus seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen – „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ – für eine weltfremde Phrase halten: Auf Kinder trifft sie zu.

Die vielen Figuren, die sich mit Rädern, Kinderwagen, Gabeln, Heuballen, Schweinen, Kühen und Futtertrögen im Bücherregal tummelten, entwickelten dort ihren eigenen Witz. Der zähnefletschende Tyrannosaurus rex, der zufällig vor die Werke des Philosophen Friedrich Nietzsche – „Wille zur Macht“, „Blonde Bestie“, „Jenseits von Gut und Böse“ – zu stehen kam, wirkte, als mache sich da jemand lustig über den Alleszertrümmerer. Jetzt liegen die Sachen im Keller und warten in Kartons, verschenkt oder verkauft zu werden. Den Kindern wäre es egal, aber die Eltern hängen an den Erinnerungen.

Mathias Bury ist Reporter im Team Familie, Bildung und Soziales und hat zwei schulpflichtige Töchter.