Titelbild des Podcasts Foto: Hüsgen-Lieb

Die Geschichte der Waldenser ist wohl nie zu Ende erzählt – und nicht zuletzt auch von Flucht und Verfolgung geprägt. Mit ihrem Podcast "Entfernte Verwandte" taucht Rebecca Hüsgen-Lieb tief in die Geschichte dieser Gemeinschaft ein. Sie hat Waldenserwurzeln über ihre Großmutter, die im Waldenserort Neuhengstett lebt.

Althengstett-Neuhengstett - "Mein Vater hat mir stets viel über die Waldenser erzählt und mich auch immer wieder mitgenommen ins Waldenser-Museum nach Ötisheim", erzählt Hüsgen-Lieb im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Deshalb hat sie schon mal mit der Ahnenforschung geliebäugelt, "welche Linie verzweigt sich wohin". Auch einen Besuch im Bremer Auswandererhaus für eventuelle Recherchen habe sie zeitweise ins Auge gefasst.

Vier Stränge

Letztlich sei jedoch der Gedanke an einen Podcast gereift, so die Marketingmanagerin eines Leonberger Audiotechnik-Hauses. Alle vier Großeltern, von denen nur noch die Oma in Neuhengstett lebt, haben Fluchterfahrungen in ihren Lebensgeschichten. Diese vier Stränge (die geografisch von Frankreich und Italien bis Schlesien und Serbien reichen) will Hüsgen-Lieb in ihrem Podcast "Entfernte Verwandte" nacheinander darlegen, beginnend mit den Waldensern. "Ich bin weder Historiker noch Fachmann für Ahnenforschung", betont sie im Intro, der Folge null des Podcasts, "ich nähere mich den Geschichten journalistisch, habe mich offen zugänglicher Quellen bedient und diese nach bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen."

Der erste Podcast-Komplex beschäftigt sich also mit den Waldensern, gewissermaßen den Vorreformatoren, und beleuchtet einen Zeitrahmen vom 12. bis ins 16. Jahrhundert, in dem sich die Glaubensgemeinschaft schließlich der Reformation Luthers angeschlossen hat. Rebekka verbindet die historischen Daten und Begebenheiten zu einer lebendigen, spannenden Erzählung, einer Entdeckungstour in die ferne Vergangenheit "einer unendlich kleinen Minderheit von internationaler Ausdehnung", wie in einer historischen Schrift zu lesen ist. Und sie beleuchtet neben den historischen Ereignissen auch die ein oder andere herausragende Person ausführlicher.

Mit von der Partie ist ihr Ehemann Fabian Hüsgen. Wenn er nicht am Podcast mitarbeitet, ist er Schlagzeuglehrer und stellvertretender Leiter an einer Stuttgarter Musikschule. Ihm fällt die Rolle zu, anstelle der Podcast-Hörer Fragen zu stellen. "Er hat eine wundervolle Sprechstimme, deshalb liest er zwischendurch Passagen aus den Originalquellen und historischen Tatsachenromanen", so Rebekka. Er als Katholik stellt im Zwiegespräch mit seiner Ehefrau zwischendurch auch die von ihr erzählten historischen Begebenheiten in Bezug zur heutigen Zeit, was Kirche und Gesellschaft angeht, oder zieht Vergleiche zu biblischen Kämpfen des Alten Testaments.

Bisher veröffentlicht sind fünf Folgen des Podcasts, beginnend bei der Gründung der Gemeinschaft der "Armen von Lyon", wie die Glaubensgemeinschaft sich selbst lange benannte, durch den sogenannten Pierre Waldes (zu seinem Namen gibt es unterschiedliche Überlieferungen). Dieser wohlhabende Händler und Kaufmann hat Hab und Gut aufgegeben, um Christus nachzufolgen. Warum die Waldenser zu Beginn bei der katholischen Kirche noch recht beliebt waren und warum dieser Frieden nicht von langer Dauer war, darum geht es in Folge zwei. Wie Waldes und seine Anhänger in den Fokus der Inquisition geraten und wie es ihnen in diesem Zeitalter erging, beleuchtet Folge drei. Der dramatische Überfall einer mordlustigen, zusammengewürfelten Soldaten- und Söldnerhorde auf ein Waldenserdorf in den Bergen im Piemont am Weihnachtsabend 1400 wird in Folge vier lebendig. Dabei erfahren die Hörer auch von der Flucht der Bewohner in die dort heute noch existierende Höhlenkirche. Dass die Vorfahren, die Gewalt zutiefst verabscheuten, in der Zeit danach ebenfalls zu den Waffen greifen mussten, um sich zu verteidigen, thematisiert dann die fünfte Folge.

Monatlicher Rhythmus

Im März wird die sechste Podcast-Folge erscheinen, die sich mit Luther und seinem Einfluss auf die Waldenser beschäftigen wird. "Wir haben künftig einen monatlichen Rhythmus geplant, nach dem anfänglich 14-tägigen", erzählen die beiden in Heimsheim lebenden Podcast-Macher, "die Recherchen erfordern doch mehr Zeit, als wir ursprünglich gedacht haben."

Es sei jedoch ungemein spannend und bereichernd, wie sich immer neue Bezüge auftun und sich Handlungsstränge verzweigen, so Rebekka. Da müsse man sich "manchmal richtig disziplinieren, um nicht vom Weg abzukommen und sich zu verzetteln", schmunzelt sie. Mit ihrem Podcast möchten die Eheleute ihre Hörer anregen, sich auch selbst auf Spurensuche zu begeben und zu fragen: Wer waren meine Vorfahren? Wo lebten sie? Wofür kämpften sie? Und vielleicht sogar dazu, die eigenen noch lebenden Vorfahren zu interviewen und dies mit den anderen Hörern auf den Social Media-Kanälen zum Podcast zu teilen.

Das Henri-Arnaud-Gedenkjahr 2021 zum 300. Todestag des Waldenserführers, der mit der Geschichte der Glaubensflüchtlinge in der hiesigen Region verbunden ist, rückt das Thema Waldenser aktuell wieder mehr in den Blick. "Keine andere religiöse Gemeinschaft kann von sich behaupten, so zielbewusst und langlebig gewesen zu sein", heißt es im Podcast. "Deshalb ist es erstaunlich, dass auch heute noch so wenig Menschen etwas über die Waldenser wissen, wo sie doch so wichtig waren", findet Hüsgen-Lieb. Und grade deshalb passt jetzt der lebendig erzählte, faktenreiche und fesselnde Podcast mit Geschichten und Betrachtungen, die so noch nicht gehört wurden.