Hohe Energiekosten machen den Deutschen zu schaffen. Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Bei aller Kritik am System der Entlastungen: Deutschland tut sehr viel für jene, die Hilfe brauchen. Ein wenig Optimismus wäre kein Fehler, meint Tobias Peter.

Der Unmut über das deutsche Gesundheitssystem ist mitunter groß – einerseits. Andererseits wird jemand, der im Ausland krank wird, in aller Regel so schnell wie möglich versuchen, nach Deutschland zurückzukommen. Das sagt etwas über die Mentalität in unserem Land. Deutschland tut sehr viel für die soziale Absicherung. Daran haben sich viele so gewöhnt, dass sie es wenig zu schätzen wissen.

 

Das zeigt sich an der Debatte über Entlastungen. Keine Frage: Um die Preisbremsen für Strom und Gas hätte sich die Bundesregierung früher kümmern müssen. Doch in der Gesamtbewertung gerät zu stark aus dem Blick, dass es im Lauf des Jahres bereits Milliardenhilfen gegeben hat. Und: Am Donnerstag hat der Bundestag beschlossen, die schleichende Steuererhöhung durch die kalte Progression auszugleichen, das Kindergeld deutlich zu erhöhen und das Wohngeld zu verbessern. Davon profitieren viele, die Hilfe brauchen.

Passgenaue Hilfen schaffen neue Probleme

Der Wunsch nach größerer Gerechtigkeit bei der Finanzierung ist berechtigt. Der Vorschlag der Wirtschaftsweisen, Reiche befristetet mit einem höheren Spitzensteuersatz oder einem Energiesoli zur Finanzierung der Krisenfolgen heranzuziehen, ist in dieser historischen Lage so vernünftig wie fair – auch wenn er wegen des Widerstands der FDP faktisch nicht umsetzbar ist.

Zudem wird gefordert, die Hilfen sollten passgenau bei denen ankommen, die sie brauchen. Das ist einerseits richtig. Andererseits blendet es einen Zielkonflikt aus: Je schneller die Hilfen erfolgen, desto schwieriger ist es, sie passend auf bestimmte Personengruppen zuzuschneiden. Davon abgesehen gilt die Erkenntnis: Viele Menschen halten sich selbst der Unterstützung durch den Staat für würdig – sprechen das aber denjenigen ab, die etwas mehr haben als sie selbst.

Künstlicher Streit um Details schadet

Über all das müsste differenzierter diskutiert werden – ebenso wie über das Bürgergeld, zu dem der Bundestag gerade Ja gesagt hat. Der Gesetzentwurf würde zwei wichtige Verbesserungen bringen: Erstens soll es einen Inflationsausgleich künftig nicht mehr nur für die Vergangenheit geben, sondern auch für die kommenden Monate. Das ist wichtig in Zeiten rasender Preissteigerungen. Zweitens sollen Aus- und Weiterbildung künftig wichtiger sein. Wer will dem angesichts des wachsenden Fachkräftemangels widersprechen? Wenn alle Parteien sich auf diese Punkte konzentrieren und den Streit über Details nicht künstlich hochziehen würden, können sie schnell einig sein.

Das wäre auch ein weiterer Beleg für die Erkenntnis: Bei aller berechtigter Kritik ist Deutschland ein Land, in dem viel mehr funktioniert als nicht funktioniert. Wenn die Deutschen dann zum Arzt gehen, müsste der ihnen eigentlich die Fähigkeit zu etwas mehr Optimismus verschreiben.