Läuft immer ganz vorne mit, darf aber nicht bei Deutschen Meisterschaften an den Start gehen: Für Esmat Rezai ging sein größter Traum nicht in Erfüllung. Foto: Lenk Foto: Schwarzwälder Bote

Leichtathletik: Afghanischer Flüchtling Esmat Rezai läuft Bestzeiten, darf bei Meisterschaften aber nicht starten

Eigentlich ist Esmat Rezai ein ganz normaler junger Mann mit Träumen – seine Geschichte aber ist eine ganz besondere.

Anfang 2015 machte sich der damals gerade 14-Jährige Esmat Rezai in seinem Heimatland Afghanistan auf die Reise, um der dortigen Gewalt und politischen Unruhe zu entfliehen, mit unbestimmtem Ziel. Über mehrere Monate durchquerte der junge Mann damals zu Fuß halb Asien und Europa, um am Ende einer abenteuerlichen Reise über den Iran, die Türkei, Griechenland und die Balkanroute seine Zelte in Loßburg aufzuschlagen. Das dortige Kinderheim war von da an seine neue Heimat.

Nach einigen Wochen der Eingewöhnung stand dann der alljährliche Waldlauf vom Skiclub Anfang Oktober an, bei dem das Loßburger Kinderheim seit jeher mit einem starken Aufgebot vertreten ist. Auch Rezai wollte damals die Kinderheim-Mannschaft unterstützen. Obwohl er noch in der Schülerklasse startberechtigt war, hatte Rezai den tollkühnen Plan, den Hauptlauf über 10,3 km zu laufen.

Untrainiert auf Platz drei

Ohne wirklich trainiert zu haben, setzte Rezai dann seinen Plan in die Tat um und lief auf Anhieb nach 44.41 min auf Platz drei in der Jugendklasse. Die für einen Anfänger tolle Zeit blieb natürlich nicht unbemerkt und rief dann auch den Loßburger Trainer Gottfried Schrempp auf den Plan. Der setzte sich mit dem Kinderheim in Verbindung und so kam Rezai dann ins Leichtathletik-Training beim Skiclub Loßburg.

In den letzten drei Jahren zeigte der junge Mann dann immer bessere Leistungen, die mit sehr guten Zeiten im Sommer 2018 ihren bisherigen Höhepunkt fanden: Beim Calwer Hesselauf im März lieferte er mit 35.03 min über die 10 km zunächst eine starke neue Bestzeit ab. Nur eine Woche später steigerte er sich sogar um fünf Sekunden und lief beim Kiebinger Osterlauf eine Zeit von 34.58 min. Sein Meisterstück ließ er allerdings im Juni folgen: Beim internationalen Meeting in Tübingen hatte Rezai für die 5000m gemeldet, und dort unterbot er mit 15.26,46 min nicht nur seine bisherige Bestzeit um über eine Minute, sondern mit der Zeit löste er auch das Ticket für die Deutschen Jugendmeisterschaften.

Hoffnung schnell verflogen

Für Rezai ging damit ein Traum in Erfüllung, der allerdings nur von kurzer Dauer war, denn der Deutsche Leichtathletik-Verband hatte vor knapp zwei Jahren eine neue Regel eingeführt, nach der Flüchtlinge nicht mehr an Deutschen Meisterschaften teilnehmen dürfen. Eine Regel, die damals bereits sauer aufstieß, und in Rezais Fall ist sie gleich doppelt bitter. Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften lag die Siegerzeit in seiner Altersklasse U 20 nämlich mit 15.39,05 min fast 13 Sekunden über seiner in Tübingen gelaufenen Zeit. Und in seiner früheren Heimat Afghanistan wäre er damit sogar der schnellste 5000m-Läufer in diesem Jahr.

Zudem hätte Rezai damit auch Qualifikations-Norm zu den Asien-Spielen erfüllt. Da es in Afghanistan aber keine organisierten Verbände mehr gibt und er ohne deutschen Pass auch keine Startgenehmigung bei den Deutschen Jugendmeisterschaften bekommt, ist Rezai damit völlig ohne Chance, irgendwann national oder international bei einer großen Meisterschaft starten zu können. Dieser Fakt war dann auch Grund genug für Rezai, nach Hilfe zu suchen, die er in der SPD-Bundestagsabgeordneten Saskia Esken fand.

Esken will sich einschalten

Esken lud den Flüchtling prompt zu einem Termin ein, bei dem sie sich selbst ein Bild von ihm und seiner Situation machte und sich seine Träume anhörte. Er schilderte seine Integration in Loßburg, die Mitgliedschaft in der Jugendfeuerwehr, seine Berufsausbildung zum Altenpflegehelfer, und vor allem sein tägliches Training beim Skiclub Loßburg und der LG farbtex Nordschwarzwald.

Rezai schilderte Esken auch seinen Traum, irgendwann bei Olympischen Spielen starten zu können. Saskia Esken zeigte sich sichtlich angetan von der Initiative und Zielstrebigkeit des Neu-Loßburgers und versprach, seine Geschichte auf politischer Bühne zu schildern und sich für ihn einzusetzen – vielleicht geht damit ein weiteres Türchen für Rezais Weg auf und man sieht ihn in den kommenden Jahren auch bei deutschen oder gar internationalen Meisterschaften.