Sein letztes Rennen: Benedikt Karus (rechts) auf dem Weg zum Cross-Titel 2015 Foto: Görlitz Foto: Schwarzwälder-Bote

Leichtathletik: Benedikt Karus nach langem Dopingverfahren vier Jahre gesperrt / Negative B-Probe aus Tokio nicht anerkannt

Das Versteckspiel über mehr als eineinhalb Jahre ist für Benedikt Karus vorbei. Doch das Ende kam ganz anders als erwartet: Vier Jahre Dopingsperre wegen einer angeblichen Einnahme von EPO nach einem vermeintlich positiven Test.

Vom Himmel in die Hölle. So beschreibt der 26-Jährige die Ereignisse aus dem Februar und März 2015. Nach der vorherigen Qualifikation zur Cross-Europameisterschaft hatte er als erster Deutscher das Eliterennen beim Eurocross im luxemburgischen Diekirch gewonnen und einen Monat später als deutscher Einzelmeister im Cross auch die Mannschaft der LG farbtex Nordschwarzwald zum Sieg geführt.

"Ich war zu diesem Zeitpunkt nach der Rückkehr zu den alten Trainingsmethoden so gut drauf wie noch nie. Alles lief wie am Schnürchen und ich war mir ganz sicher, die 3000 m-Hindernis unter 8:30 Minuten laufen zu können. Ich habe mich richtig auf den Sommer gefreut", so der Benedikt Karus, 2012 deutscher Meister über seine Spezialstrecke, im Rückblick.

Wohnungsdurchsuchung der erste Schock

Dann der Schock. Drei Tage nach der erfolgreichen Meisterschaft klingelt die Kriminalpolizei an der Tür des Medizinstudenten in Tübingen. Grund für die Wohnungsdurchsuchung ist der Anfangsverdacht auf einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. "Dabei bin ich erstmals mit dem Dopingverdacht konfrontiert worden. Gefunden worden ist bei mir natürlich nichts", so Karus. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft auch am 19. Juni 2016 wieder eingestellt. Die Sportgerichtsbarkeit aber setzte mit der Anklage der deutschen Anti-Dopingagentur (NADA) vom 13. März erst so richtig in Gang.

Der erhobene Vorwurf: In der Dopingprobe nach dem Eurocross in Diekirch sei bei der Analyse des Instituts für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln ein schwach ausgeprägtes Signal für Darbepoetin (EPO) gefunden worden. A- und B-Probe seien positiv. Seine Reaktion war deutlich und gilt für den Schömberger auch heute noch, wie er in einer persönlichen Erklärung zu der jetzt ausgesprochenen Sperre erklärt: "Ich, Benedikt Karus, habe nicht gedopt."

Sofort und auf eigene Kosten habe er daraufhin eine sachverständige Beurteilung durch einen universitären Laborleiter der Biochemie in Tübingen eingeholt, der erhebliche Zweifel an der Kölner Untersuchungsmethode äußerte. Diese wurden in einem weiteren Gutachten bestätigt durch den renommierten Sportmediziner Perikles Simon von der Universität Mainz, der abschließend zu der Festellung kommt, Benedikt Karus sei mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nicht gedopt gewesen.

Simon äußerte gestern in einem Gespräch mit dem Schwarzwälder Bote auf Anfrage massive Zweifel an dem im Institut in Köln angewandten SAR-Page-Test auf EPO mittels Antikörpern. Während die Testmethoden etwa bei anabolen Stereoiden mittlerweile sehr präzise ist, sei die Fehlerquote bei dieser Untersuchung wegen der Kreuzreaktivität der Antikörper enorm hoch.

Dies sei vor allem in einem Fall wie bei Benedikt Karus möglich, bei dem sich die Werte in einem Grenzbereich der Nachweisbarkeit befinden. Die Forderung von Perikles Simon: "Der EPO-Test ist so etwas wie eine Lotterie und gehört in der jetzigen Form sofort abgeschafft."

"EPO-Test eine Lotterie und gehört abgeschafft"

Auch eine Alternative habe man dem Schiedsgericht vorgestellt, so Perikles Simon, nämlich einen zweiten Test der positiven Urinprobe auf Grundlage der wissenschaftlich anerkannt genaueren Untersuchungsmethode mittels Massenspektrometrie. In einem durch die internationale Dopingagentur akkreditierten Labor in Tokio wurde auf Kosten und Betreiben von Benedikt Karus diese Untersuchung auch durchgeführt, mit dem klaren Ergebnis: Probe negativ, kein EPO-Doping. Benedikt Karus: "Das von mir als sauberer Sportler erwartete negative Ergebnis belegt meine Unschuld sowie den bedauerlichen Fall einer falsch positiven Analyse durch das Kölner Labor."

Alle beim mündlichen Termin in München am 7. Juni zur Entlastung vorgetragenen Argumente einschließlich der Lebenshaltung von Benedikt Karus als Sportler und angehender Arzt konnten den von seiner Schuld überzeugten Rechtsanwalt der Nada und letztlich auch das Schiedsgericht aber nicht überzeugen. "Offenbar sollte in dem Verfahren mit allen Mitteln verhindert werden, dass das vom Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln angewendete Verfahren und insbesondere die fragwürdige Methode der subjektiven Grenzwertbestimmung in die Kritik gerät", wertet Karus’ Rechtsanwalt Dieter Rössner den Schuldspruch, dessen Umstände auch Simon Perikles "richtig wütend" macht: "Ich verstehe einfach nicht, warum Wissenschaftler nicht in der Lage sind über ihren Schatten zu springen und jahrelangen Humbug zu korrigieren. Die Folgen hat nun der Athlet zu tragen."

Letzte 18 Monate oft ein Alptraum

Und diese Folgen sind für Benedikt Karus gravierend, der von "bitteren und schweren" vergangenen 18 Monaten spricht, "für mich und mein juristisches, wissenschaftliches und privates Umfeld; manchmal war es ein regelrechter Alptraum bis hin zu depressiven Phasen."

Sportlich bedeutet die offiziell ab dem 17. März 2015 ausgesprochene Sperre zudem den Verlust der deutschen Cross-Meistertitel im Einzel und mit der Mannschaft, da auch die Wettkampfergebnisse ab dem 8. Februar 2015 annulliert werden. Schmerzhafter als die Rückgabe der dabei gewonnenen Medaillen ist der finanzielle Verlust, der sich bei Addition aller Gutachter- und Schiedsgerichtskosten wohl auf einen fünfstelligen Betrag belaufen wird.

"So etwas erleben zu müssen, wünsche ich keinem anderen ehrlichen und sauberen Athleten", so Benedikt Karus, der in den letzten eineinhalb Jahren allerdings auf die Unterstützung seiner Freundin und Vereinskameraden, den Freunden, Nachbarn und seiner Familie zählen durfte. Halt fand er auch bei seinem Medizinstudium, dessen Staatsexamen Mitte Oktober unmittelbar bevorsteht. Nach bestandener Prüfung will er sich dann wieder seiner Promotion widmen, die in Absprache mit seinem Doktorvater ebenfalls unterbrochen werden musste.

"Mit diesem System nichts mehr zu tun"

Die Karriere als Spitzensportler sieht der 26-Jährige dagegen als beendet an, "auch wenn es mich reizen würde, auf der Basis der Form des Frühjahrs 2015 noch einmal zu testen, wie schnell ich über 3000 m Hindernis sein kann; nur für mich", so Karus, der mit den möglichen Zeiten auch eine Olympiateilnahme in Rio nicht ausgeschlossen hätte. Aber für ihn ist klar: "Ich will mit diesem System im Leistungssport nichts mehr zu tun haben", auch wenn er mit seinem Rechtsanwalt Rössner weitere rechtliche Schritte zumindest prüfen lasse. Benedikt Karus: "Ich habe aber nicht die Mittel, etwa zum internationalen Sportgerichtshof CAS zu gehen, und auch zivilrechtlich dürfte es kaum Chancen geben." Auf der Basis seiner Erfahrungen fordert er aber unbedingt ein Umsteuern: "Athleten unterliegen entgegen dem elementaren Schuldgrundsatz, dass die Unschuldsvermutung gilt, den benachteiligenden Regeln des Sportrechts, vor allem bei der Beweiswürdigung, die im Zweifelsfall zu ihren Lasten ausgelegt werden."