In der Festnahme ihres Vorsitzenden sieht die pro-irische Sinn Fein einen politischen Schachzug vor der Europawahl. Die Gegenseite pocht darauf, dass Licht in einen der berüchtigtsten Morde des Nordirland-Konflikts kommen muss.
In der Festnahme ihres Vorsitzenden sieht die pro-irische Sinn Fein einen politischen Schachzug vor der Europawahl. Die Gegenseite pocht darauf, dass Licht in einen der berüchtigtsten Morde des Nordirland-Konflikts kommen muss.
Belfast - Die Polizei in Nordirland hat den festgenommenen Vorsitzenden der pro-irischen Partei Sinn Fein am Freitag weiter verhört. Gerry Adams war am Mittwochabend im Zusammenhang mit einem IRA-Mord vor mehr als 40 Jahren festgenommen worden. Dies sorgt drei Wochen vor der Europawahl insbsondere in Nordirland für Streit, wo die Sinn Fein gemeinsam mit der Demokratischen Unionspartei (DUP) regiert.
Die Sinn Fein wirft den britischen Strafverfolgungsbehörden vor, die Festnahme drei Wochen vor der Europawahl sei „politisch motiviert“ und solle Adams’ Ansehen schaden. Premierminister David Cameron habe mit Regierungschef Peter Robinson (DUP) und seinem Vize Martin McGuinness (Sinn Fein) gesprochen, sagte Nordirland-Ministerin Theresa Villiers am Freitag. Cameron sei „darauf bedacht sicherzustellen, dass die regionalen Institutionen weiterhin gut funktionieren und dass die politischen Anführer Nordirlands weiterhin gemeinsam an den großen Aufgaben arbeiten, die auf uns zukommen.“
Adams, der seit 2011 als Abgeordneter im irischen Parlament sitzt, soll in den Mord an einer zehnfachen Mutter im Jahr 1972 verwickelt gewesen sein. Die Tat geht auf das Konto der früheren bewaffneten Untergrundorganisation IRA, zu deren Führungszirkel Adams damals gehörte. Später war er einer der Architekten des Friedensprozesses in Nordirland, wo sich bis heute pro-irische Katholiken und pro-britische Protestanten gegenüberstehen. Mindestens zwei ehemalige IRA-Mitglieder haben Adams in dem Fall belastet - er soll den Mord in Auftrag gegeben haben.
Der Mordfall aus dem Jahr 1972 gehört zu den bekanntesten in Großbritannien
McGuinness, der früher selbst zum Führungszirkel der ehemaligen bewaffneten Untergrundorganisation IRA gehörte, hatte am Vortag kritisiert, man könne Adams auch ohne Festnahme zu dem Fall befragen. „Da kommen ernsthafte Fragen dazu auf, was der Fall ist und der Hintergedanke.“
Robinson hatte gesagt, politisch motiviert wäre es höchstens gewesen, Adams das Verhör zu ersparen. Es sei gut für Nordirlands Politik, wenn deutlich werde, dass niemand über dem Gesetz stehe.
Der Mordfall aus dem Jahr 1972 gehört zu den bekanntesten in Großbritannien. Die damals 37 Jahre alte Witwe war vor den Augen ihrer Kinder von zwölf Männern und Frauen entführt worden. Die Irisch Republikanische Armee (IRA) - eine bewaffnete Gruppierung mit dem Ziel der Loslösung Nordirlands von Großbritannien - beschuldigte die Frau, Informationen an die englische Armee weitergegeben zu haben. IRA-Mitglieder erschossen sie und vergruben ihre Leiche an einem geheimen Ort. Erst im Jahr 2003 legte ein Sturm die sterblichen Überreste an der irischen Küste frei.
Jahrzehntelang waren die Ermittlungen in dem Fall kaum vorangekommen. Neue Erkenntnisse brachten Interviews mit früheren Kämpfern, die eine Universität in Boston den britischen Behörden zur Verfügung gestellt hatte. Die Dokumente sollten erst nach dem Tod der Befragten veröffentlicht werden, aber ein US-Gericht zwang die Hochschule im vergangenen Jahr, Aussagen zu dem Fall herauszugeben.
In einer Erklärung unmittelbar nach seiner Festnahme hatte Adams gesagt, er habe nichts mit dem Mord zu tun. Er nannte die Tat falsch und eine „schmerzliche Ungerechtigkeit gegenüber ihr und ihrer Familie“.