Taffelladen Foto: Weißbrod

Benötigen die Rentner die Unterstützung von Tafelläden? Einkauf mit Berechtigungsschein

Oberndorf - Inflation, Pandemie, Kriegsfolgen, Preissteigerungen: Immer mehr Menschen in Deutschland kommen in finanzielle Schwierigkeiten. Diese Entwicklung wird auch bei den Tafeln dramatisch sichtbar. Die Zahl der Kunden habe sich seit Jahresbeginn um etwa die Hälfte erhöht, teilt der Verein Tafel Deutschland mit. Kommen auch mehr Rentner, um sich mit Lebensmitteln und dem Nötigsten einzudecken? Wir haben nachgefragt.

"Die Tafeln sind am Limit und berichten uns, dass viele Menschen zu ihnen kommen, die bisher gerade so über die Runden gekommen sind und zum ersten Mal Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Sie erzählen aber auch von ehemaligen Kundinnen und Kunden, deren Situation sich wieder verschlechtert hat und die nun erneut Unterstützung brauche", sagt Jochen Brühl, Vorsitzender Tafel Deutschland. "Armut macht keine Sommerpause, Armut lässt sich nicht vertrösten. Wir sehen deutlich, dass es den Menschen jetzt am Nötigsten fehlt, und rufen weiterhin zu Spenden für die Tafeln auf."

Spendenrückgang

Rund ein Drittel der Tafeln (in Deutschland gibt es 962, davon 146 in Baden-Württemberg) mussten bereits einen Aufnahmestopp verhängen. Ihnen fehlen helfende Ehrenamtliche oder schlichtweg Lebensmittel, die sie an Bedürftige abgeben können. So auch in Oberndorf am Neckar. Die Spenden seien dort so zurückgegangen, dass derzeit keine neuen Kunden aufgenommen werden könnten, heißt es auf Anfrage. Unter den Kunden befinden sich auch viele ältere Menschen "mit ganz wenig Rente". Doch für einige sei der Gang zur Tafel mit Scham behaftet. "Besonders ältere Frauen trauen sich oft nicht", so die Erfahrung. Bei den klassischen Rentnern zwischen 70 und 75 bestehe aber oft die größte Not. Niedrigschwellige Angebote könnten da helfen. "Man könnte beispielsweise die Lebensmittel direkt abliefern und so den Gang zur Tafel vermeiden."

Derzeit stamme der Großteil der Kunden aus der Ukraine. "Alte Kunden bleiben immer öfter weg."

Wer zur Tafel gehen darf, benötigt einen Berechtigungsschein. Dieser wird in der Regel dann erteilt, wenn der Bedürftige staatliche Unterstützung (Hartz IV) erhält oder auch eine zu kleine Rente bezieht.

Im Schramberger Tafelladen liege der Anteil der Rentner bei rund 50 Prozent. Auch dort gehören derzeit aufgrund des Krieges Ukrainer zu den Hauptkunden, und auch dort werden die Spenden weniger, so die Info. Dies liege unter anderem daran, dass ein Discounter sein Obst und Gemüse seit ein paar Monaten nicht mehr der Tafel zur Verfügung stelle, sondern dieses in einer sogenannten Rettertüte verbilligt anbietet.

"Es werden immer mehr"

Auf rund 20 Prozent schätzen die Mitarbeitenden des Fördervereins "Mach mit!" den Anteil der Rentner in ihren Tafelläden. Diese finden sich in Villingen, Schwenningen, Donaueschingen, Triberg und St. Georgen. "Für Schwenningen lässt sich sagen, dass es immer mehr werden", so die Auskunft. Um die vielen Menschen versorgen zu können, die aufgrund des russischen Angriffskrieges nach Deutschland geflohen sind, wurde dort ein zusätzlicher Öffnungstag nur für Ukrainer eingeführt.

Die Gründe, warum ältere Menschen auf die Unterstützung der Tafelläden setzen müssen, seien vielfältig, erzählt ein Tafel-Mitarbeiter im Schwarzwald-Baar-Kreis. Auf der einen Seite seien es Schicksalsschläge wie Krankheit, auf der anderen Seite Langzeitarbeitslosigkeit oder Überschuldung, warum die Rente nicht zum Leben reiche. "Die Rentenlücke trifft vor allem Frauen", so seine Beobachtung.