Dieter Kleinmann fühlt sich wohl im Messe- und Reisegwühl. Foto: Leif Piechowski

Dieter Kleinmann will die Seelsorge an Flughafen und Messe aus der Demutshaltung holen.

Stuttgart - Der Mann aus dem Schwarzwald war 15 Jahre lang Landtagsabgeordneter für die FDP. Jetzt übernimmt der diplomierte Volkswirt Dieter Kleinmann die Rolle des Hirten an Flughafen und Messe. Er will die  Seelsorge aus der Demutshaltung holen und in den Blick rücken.

Herr Kleinmann, hier in den Terminals sind alle in Hast. Kommt gelegentlich einer der Reisenden zu Ihnen?
Auch bei aller Eile gibt es Menschen, die Hilfe suchen oder einen Rat suchen. Manche kommen in den Andachtsraum, um einfach nur Ruhe zu finden, oder wollen dort beten. Aber es kam auch schon vor, dass Reisende im Ausland verstorben sind. Deren Familien brauchen Begleitung.

Wie passt der Job zu Ihrer bisherigen Laufbahn in der Politik?
Bei beidem geht es um Menschen. In der Politik geht es um die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse, darum, welche Lösungen bei bestimmten Problemen angeboten werden können. In der Theologie geht es darum, Menschen zu helfen, die Sorgen haben und nach Antworten suchen. Das gelingt nicht immer, aber der Pfarrer schenkt ihnen Gehör und geht eine Verbindung mit ihnen ein, so dass sie sich geborgen fühlen können.

Heißt das, Sie konnten sich nicht entscheiden als junger Kerl?
Ich bin mit Leib und Seele Pfarrer, und Volkswirtschaft habe ich nur studiert, weil mich wirtschaftliche Zusammenhänge schon immer interessiert haben.

Trotzdem haben Sie sich zuletzt mehr um die Politik gekümmert. Warum?
Am Ende meines Vikariats wollte ich im theologischen Bereich bleiben. Ich war gewählt zum Studienleiter der Akademie Bad Boll für die Außenstelle Stuttgart. Damals gab es für Ehepaare – meine Frau ist auch Pfarrerin – nur 100-Prozent-Stellen, die sie sich teilen mussten. Die Studienleiter-Stelle war aber nicht teilbar, und so hätte meine Frau den Talar an den Nagel hängen müssen. Das wollten wir gemeinsam nicht. Da ich zu jener Zeit wegen der genannten Umstände nicht im aktiven Pfarrdienst war, dachte ich, seit 1972 in der FDP, jetzt verhilfst du mal dem Walter Döring zu einem anständigen Ergebnis. Den Sprung in den Landtag habe ich verpasst, doch ich habe Geschmack an der Politik gewonnen. Deshalb habe ich es bei der Landtagswahl 1996 einfach noch mal probiert – und wurde gewählt.

Jetzt verbinden Sie beides: die Pfarrstelle mit einem Arbeitsplatz, an dem sich vor allem Leute aus der Wirtschaft tummeln. Ist das der Idealfall?
Ich bin noch nicht lang genug da, um das sagen zu können. Die Stelle gab es so ja bisher nicht. Mit der Zusammenlegung des Aufgabengebiets Flughafen und Messe betrete ich Neuland, aber die Begegnung mit den Leuten hier auf dem Gelände ist überaus spannend.

"Talk oder Treff auf dem Flughafen mit prominenten Reisenden zu einem bestimmten Thema"

Sie wirken ja eher im Hintergrund. Wie können Sie Ihre Dienste in den Blickpunkt rücken?
Auf der Messe haben wir einen Andachtsraum, aber auch das Forum Kirche, wo themenbezogene Veranstaltungen stattfinden, zum Beispiel zum Jakobsweg während der Messe CMT. Trotzdem muss die Kirche versuchen, sich mehr ins Gespräch zu bringen. Die bisher schon bestehenden Konzepte gilt es weiterzuentwickeln. Im Zentrum steht aber die Seelsorge.

Haben Sie schon einen Plan?
Alle zwei Jahre findet die Messe Intergastra statt, meist mit großem Schaukochen. Ich werde unserem Bischof empfehlen, dort mitzumachen. Der darf dort dann Herrgottsb’scheißerle, sprich: Maultaschen, kochen. Oder die Konditoren stellen in unserem Forum Kirche Kreationen zu Kommunion und Konfirmation vor, zum Beispiel ihre Marmorkuchen in Form einer Bibel, und wir erklären dann die Bedeutung von Kommunion und Konfirmation.

Solche Aktionen lassen sich am Flughafen wohl kaum umsetzen. Dort will keiner verweilen, der ist Durchgangsstation.
Einerseits ja, aber am Flughafen finden auch Begegnungen statt, wenn auch zeitlich begrenzt. Wir könnten doch auf der Ebene 5, wo wir die Gottesdienste halten, einen Talk oder Treff auf dem Flughafen machen mit prominenten Reisenden zu einem bestimmten Thema. Zum Beispiel könnte Robert Leicht von der Wochenzeitung „Die Zeit“ über Journalismus und Wahrheit sprechen, wenn er von Hamburg nach Stuttgart kommt.

Das klingt nach einem angenehmen Job.
Ich gehe ihn optimistisch an. Meine katholische Kollegin und ich sind allerdings auch für die 9500 Menschen zuständig, die hier arbeiten. Ihnen wollen wir das Gefühl geben, dass wir für sie da sind, ihnen Geborgenheit vermitteln. Was das bedeutet, wurde mir kürzlich klar, als ein Mitarbeiter krank wurde und starb.

Vom Volkswirt zum Volkshirt? Hat Ihnen nach dem Verlust des Landtagsmandats das Forum für Ihre Predigten gefehlt?
Nein, ich vertrat ab und zu unseren Rottweiler Pfarrer. Aber zu Hause Däumchen drehen ist nichts für mich.

Die FDP und die großen Amtskirchen haben eines gemeinsam: Sie verlieren konstant Mitglieder. Sitzen Sie jetzt wieder auf dem absterbenden Ast?
Ich habe nicht das Pferd gewechselt. Ich bin nach wie vor Kreisvorsitzender der FDP und kommunalpolitisch tätig. In erster Linie aber mache ich mein Pfarramt hier. Und eins ist sicher: Die Kirche wird’s weiterhin geben, ebenso die FDP.