Sebastian Lehmann unterhielt sein Nagolder Publikum mit seinen unaufgeregten, trocken vorgetragenen Dialogen. Foto: Fritsch

Nagold (A)live: Sebastian Lehmann und seine witzigen Telefonate mit den Eltern

Mit seinem Soloprogramm "Andere Kinder haben auch schöne Eltern" hat sich der Schriftsteller Sebastian Lehmann einen Namen gemacht. Über die besten Telefongespräche mit seinen Eltern konnte sich das Publikum im Hof der Alten Seminarturnhalle sehr gut amüsieren.

Nagold. Junge Leute, aufgepasst! Die schlimmste Berufswahl, die man seinen Eltern antun kann, ist: Dichter. Beziehungsweise Dichterin. Wer will, kann es auf die Spitze treiben und sich der "meteorologischen Lyrik" hingeben. Oder sich als "Poetry Slammer" dem Reimen aus dem Stehgreif widmen. Oder den Räuberballaden, der deutschen Version des Gangsta-Rap. Fast genauso schlimm wie der Dichter ist der Schriftsteller – sagt der Schriftsteller Sebastian Lehmann, am Freitagabend live auf der Open-Air-Bühne der Alten Seminarturnhalle.

Dieser Schriftsteller muss der Schrecken aller Eltern sein. Jedenfalls sind die Telefongespräche mit seinen Eltern bühnenreif und deshalb seine Spezialität. Genaugenommen sind es die Gespräche mit seiner Mutter, der Vater macht sich nur durch Zurufe aus dem Hintergrund bemerkbar. Dabei beginnen die Telefonate stets so: "Meine Mutter ruft aus meiner Heimatstadt Freiburg an." Dann kommen meist die typischen "Mütterthemen", ob der inzwischen 39-jährige Sohn auch genug isst, ober er sich schön warm anzieht und wie es eigentlich mit Enkelkindern aussehe.

Meist treten Generationenkonflikte zu Tage. Etwa, wenn der Sohn Vegetarier ist und die Mutter für den nächsten Besuch traditionsgemäß Schweinebraten mit Leberknödeln und Schinkensahnesoße vorbereitet hat. Für einen Witz eignet sich stets das Thema Pandemie. Sohn: "Wie kommt Ihr denn mit dem Ausnahmezustand zurecht?" Mutter: "Mit Dir war früher immer Ausnahmezustand. Einmal hat Du die Blockflöte verschluckt." Sohn: "Ist nicht wahr!" Mutter: "Doch! Oder wie Du beim Fußball danebengetreten und Dir die Hüfte gebrochen hast…" Sohn: "Ich lege auf!"

Grund für die fernmündliche Kommunikation: Die Eltern leben in Freiburg im Breisgau, da kommt Lehmann tatsächlich her, jetzt wohnt der Sohn in Berlin. Wo sich bekanntlich allerlei Lustiges zuträgt. Sohn steht im Neoprenanzug mit Rettungsweste an Bord eines Schiffes und fragt den Kapitän: "Wo sind denn die Rettungsboote?" Kapitän: "Sie, det is ene Spreerundfahrt. Das Ufer ist nie weiter als 2,50 Meter entfernt."

Eltern denken anders

Hat Muttern womöglich recht, wenn sie sagt "Mit deinem Bruder hatten wir ja Glück"? So lautet übrigens der Titel eines der erfolgreichsten Bücher von Sebastian Lehmann, in dem er die besten Telefonate mit seinen Eltern wiedergibt. Doch, Schriftsteller, Dichter oder deren Mutante Journalist sind sehr schöne und einträgliche Berufe, das ist allen klar – außer Eltern. Wahrscheinlich hat er deshalb vorsichtshalber ein Studium der Literatur, Philosophie und Geschichte abgeschlossen. Seine Mutter meint, er könne dann immer noch Lehrer werden. Mutter: "Wie viel gibt 7x7?" Sohn: "49. Mutter, was soll das?" Mutter: "Da gibt es eine Stelle für einen Mathelehrer. Ich glaube, ich schicke eine Bewerbung für Dich hin." Diesen Dialog und viele andere kann man in voller Länge auf der Webseite des Künstlers nachhören, falls jemand den Auftritt in Nagold verpasst hat.

Wie sich Sebastian Lehmann als Mathelehrer machen würde, wissen wir nicht. Auf der Bühne ist er jedenfalls gut. Was er meisterhaft beherrscht, ist die Kunst der unaufgeregten, eher trocken vorgetragenen Dialoge. Klar, wenn ein Künstler als Flamingo verkleidet die Bühne betritt, lacht das Publikum. Diesem Schriftsteller reichen ein Hocker und ein Stehtischchen völlig aus. Und das Publikum lachte. Wenn das doch auch die Eltern einsehen würden. Lehmann: "Immer wenn ich meinen Beruf erwähne, lacht mein Vater im Hintergrund."