Foto: Schwarzwälder Bote

"Was ist denn in Schramberg los? Warum sieht man auf einmal

"Was ist denn in Schramberg los? Warum sieht man auf einmal so viel Polizei?" Um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist, je nach Betrachtungsweise, so viel oder so wenig los wie immer. Und wer bei "so viel Polizei" an patrouillierende Einsatzkräfte in Gruppenstärke denkt, der sollte sein Kopfkino sofort wieder ausschalten und einen anderen Film einlegen.

Revierleiter und Erster Polizeihauptkommissar Jürgen Lederer schickt zur "bürgernahen Ausrichtung" seit September täglich mindestens zwei Fußstreifen durchs Stadtgebiet. Raus aus dem Revier in der Bahnhofstraße, rein ins Revier der Innenstadt.

Oberstes Ziel ist es, so Lederer, die Bürgernähe zu verbessern, Hilfe anzubieten, für Fragen und Belange da zu sein. Diese stärkere Präsenz sei mit "allen Dienstgruppen abgestimmt und besprochen", sprich die "Basis" stehe dahinter.

Es ist erstaunlich und bewundernswert zugleich, wie sich die Schramberger Polizisten – und wahrscheinlich nicht nur die – immer noch mehr aufladen lassen. Ja, aufladen lassen müssen. Auf der einen Seite ist wohl jedem Uniformträger daran gelegen, das Vertrauensverhältnis zur Bevölkerung und das individuelle Sicherheitsgefühl zu stärken.

Andererseits fehlt’s am Personal, auch wenn es momentan im Schramberger Streifendienst keine offenen Stellen gibt. Ohne die Bereitschaft der Beamten, die das Pensionsalter erreicht haben, noch ein paar Jahre dranzuhängen, wäre an manchen Tagen der Dienst gar nicht mehr aufrecht zu erhalten. Wichtige Kompetenzen gingen verloren, "von unten" kommt nichts nach. Der Begriff "auf Kante genäht" ist für den Dienstplan an manchen Tagen tatsächlich untertrieben. Wohlgemerkt: Dies ist nicht nur in Schramberg so. Wenn mal wieder nachts eine Streife fürs Gebiet von Tennenbronn bis kurz vor Alpirsbach ausreichen muss, darf nicht wirklich etwas passieren.

Seit Jürgen Lederer das Revier von Erich Moosmann im Jahr 2016 übernommen hat, hat sich trotz des strengen Korsetts aus Polizeigesetz und Schichtplänen einiges geändert. Lederer ist kein Schnorchler, der an der Oberfläche bleibt, eher ein Tiefseetaucher, um im Bild zu bleiben. Durch seine frühere Tätigkeit im Ministerium in Stuttgart kennt er die Zusammen-hänge, denkt lieber eine Spur zu groß, als zu klein, gerne strategisch und in die Zukunft. Er gehört zu den wenigen Polizeibeamten, die sich öffentlich nicht zu der prekären Personalsituation äußern. "Jammern nützt doch nichts", winkt er ab. Nichtsdestotrotz lassen sich Probleme bekanntlich nicht tot schweigen – auch nicht beim Staat.

Und nun also eine neue Konzeption, die das Korsett für seine Beamten vielleicht noch etwas enger sitzen lässt, der Bürgernähe in Schramberg aber bestimmt nicht schaden kann.

Sollten die Polizisten in der Innenstadt für Sie mittlerweile zum gewohnten Bild gehören, dann wundern Sie sich nicht, wenn sie demnächst an manchen Tagen wieder fehlen: "Bei widrigen Witterungsverhältnissen kann von der Durchführung der Fußstreife abgesehen werden." Genau. An stürmischen Herbst- und erst recht an kalten Wintertagen jagt man bekanntlich nicht einmal einen Hund vor die Tür. Und unsere Polizisten erst recht nicht.

Der nächste Einsatz lässt bestimmt nicht lange auf sich warten.