Studiendirektor a. D. Günter Buchholz (links) ist ein profunder Kenner der Geschichte der Majolika. Fotos: Ziechaus Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Günter Buchholz erinnert an den Ehrenbürger Moritz Meyer / Majolika-Buch in Arbeit

Die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten müsse wach gehalten werden, hat Oberbürgermeister Thomas Herzog am Mahnmal "Des Bruders Tod" appelliert.

Schramberg. Mit dem alljährlichen Gedenktag für die Opfer der Nationalsozialisten "halten wir die Erinnerung an die dunkelsten Stunden unserer Geschichte wach", wollte der Oberbürgermeister mit seiner Ansprache am Gedenkstein "den Opfern wieder Stimme und Gesicht geben". Auch in Schramberg wurden Menschen "von den Nazis drangsaliert, ins Exil getrieben und ermordet", kündigte er einen Vortrag über die Geschichte der Unternehmerfamilien von Moritz und Leopold Meyer im Anschluss in der Mediathek an.

Der 27. Januar sei allen Opfern des NS-Regimes gewidmet. Gerade heute mit "der Rückkehr rechten Gedankenguts und völkischer Phrasen" sei aktiv zu fordern: "Niemals wieder!" Es sei in unser aller Interesse, den Anfängen von Intoleranz und Inhumanität zu wehren, denn es sei manchmal kaum mehr machbar, gegen ein an die Macht gelangtes unmenschliches Regime anzugehen. Deshalb müsse man sich gerade an diesem Tag des Gedenkens für unsere freie, rechtsstaatliche Gesellschaft mit demokratischen und humanen Normen einsetzen.

Unter den Klängen eines Ensembles der Stadtmusik legten Thomas Herzog und Stadtrat Udo Neudeck einen Kranz am Mahnmal nieder.

Im Anschluss erinnerte Günter Buchholz mit einem Vortrag an das Leben der Unternehmerfamilie Meyer/Melvin. Der ehemalige Oberstudienrat am Schramberger Gymnasium arbeite an einer Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der Majolika-Fabrik im kommenden Jahr. Michael Melvin verwies "auf die Tiefen des noch vorhandenen Firmenarchivs", in der der Historiker Günter Buchholz sicher vieles ausgraben werde. Sein Großvater Moritz Meyer und dessen Bruder Leopold aus Steinheim in Hessen hatten 1912 die vom Untergang bedrohte Steingutfabrik gemeinsam mit 40 Malern und Facharbeitern zu neuem Leben erweckt.

In alten Anzeigen bot die Majolikafabrik weiterhin ihre handgemalten Steingut-Gebrauchs-Artikel von ihrem Standort an der Schiltach an. Aber mit der Machtübernahme der Nazis begannen für die deutsch-jüdische Familie die Repressalien. So musste Sohn Hans-Peter 1936 die Realschule verlassen und in St. Gallen sein Abitur machen. Zwei Jahre später wurden Moritz und Leopold Meyer ins KZ Dachau verschleppt und mussten ihren Betrieb an den Gauamtsleiter Alfons Zeller aus Stuttgart unter Wert verkaufen. Die Familien flohen nach England und mussten dafür sogar Fluchtsteuer bezahlen. Moritz Meyer und seine Frau Julie lebten in London und in einem kleinen Ort an der Grenze zu Wales.

Neuanfang

Als sich Sohn Hans-Peter anbot, in der britischen Armee gegen den Faschismus zu kämpfen, wurde ihm eine Änderung seines deutschen Namens zu Harry-Peter Melvin empfohlen. Nach dem Ende der NS-Herrschaft kehrte Moritz Meyer mit seiner Familie nach Schramberg zurück und wagte in der schwierigen Nachkriegszeit einen Neuanfang mit seiner Majolikafabrik. Mit Sohn Peter führte er das Unternehmen so erfolgreich, dass in Blütezeiten bis zu 400 Mitarbeiter ihre Arbeit in der Majolika fanden. Für sein großes soziales und kulturelles Engagement wurde Moritz Meyer 1964 zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt ernannt. In seiner Dankesrede, aus deren handschriftlichem Original Buchholz vorlas, betonte er den gemeinsam mit den Mitarbeitern erwirtschafteten Erfolg: "Zwei Weltkriege hatten die Kraft unseres Unternehmens nicht zu brechen vermocht." Moritz Meyer verstarb 1970 und sein Nachfolger Peter bereits zehn Jahre später mit 58 Jahren.