Kurarzt Tomas Stockmann (von links, gespielt von René Laier) bekommt Unterstützung von seiner Frau Kathrin Stockmann (Vivian Prahl) und auch von Zeitungsredakteur Hovstadt (Tim Tegtmeier) – allerdings nur anfangs.Foto: Empl Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Badische Landesbühne zeigt "Ein Volksfeind" im Theaterring / Publikum wird aufgefordert, sich zu engagieren

Mit einem Stück aus dem vorletzten Jahrhundert hat die Badische Landesbühne Bruchsal (BLB) nach der Corona-Pause nun ihre neue Spielzeit auch beim Theaterring Schramberg eröffnet.

Schramberg. Das Schauspiel "Ein Volksfeind" des norwegischen Dichters Henrik Ibsen hatte 1882 beim Publikum heftige Kritik ausgelöst, griff es doch heikle Themen auf wie das Verhältnis von Wahrheit und Macht, Freiheit und bürgerlicher Moral und immer wieder das Geld.

Mit seiner Neuinszenierung ist es Carsten Ramm, dem Intendanten der BLB, überzeugend gelungen, dieses Schauspiel auch im Jahr 2020 packend und vor allem absolut aktuell als "Politthriller" rüberzubringen. Denn schließlich geht es um die stets gültige Frage: Was zählt mehr: Wirtschaftsinteresse oder Erhalt der menschlichen Gesundheit?

Die Inhaltsangabe des Stücks klingt wie von einem Fernsehkrimi, besonders mit ökologischer Fragestellung. Der Badearzt Tomas Stockmann hat sich in seinem Heimatort für die Errichtung eines Kurbads stark gemacht, um somit den Kurort zu fördern. Doch bei Untersuchungen des Trinkwassers entdeckt er eine schwere Verseuchung, ausgelöst durch Abwasser der Gerberei seines Schwiegervaters. Als gewissenhafter Wissenschaftler lässt er die Wasserproben offiziell untersuchen und erhält den Nachweis für das hochgradig gesundheitsgefährdende Wasser des Heilbads.

Für ihn ist klar: Die Öffentlichkeit muss informiert werden und die Wasserleitungen, zwar kostspielig aber notwendig, müssen neu verlegt werden. Er ist überzeugt davon, mit seiner öffentlich ausgesprochenen Warnung den Menschen in der Stadt und vor allem der Bürgermeisterin, seiner Schwester Gerda Stockmann, einen wichtigen Dienst zu erweisen.

Der Redakteur Hovstadt von der örtlichen Zeitung "Volksstimme", sein Mitarbeiter Billing und vor allem der Buchdrucker Aslaksen sind von den Ansichten des Arztes überzeugt und stärken ihm den Rücken. Der Artikel soll in der Presse erscheinen und der Bevölkerung die Augen öffnen. Sie nennen Stockmann einen "Volksfreund".

Doch das Stadtoberhaupt, Stockmanns Schwester, ist ganz anderer Ansicht. Sie glaubt der Warnung ihres Bruders nicht, bezweifelt die Ergebnisse und hat massive finanzielle Bedenken, die dem Kurort schaden könnten. Sie setzt den städtischen Kurarzt massiv unter Druck, kraft ihres Amtes, verlangt seine offizielle Erklärung und droht ihn zu entlassen, wenn er nicht davon Abstand nähme. Sie schafft sogar, die anfangs engagierten Mitarbeiter der Presse mit ihren finanziellen Bedenken umzustimmen.

In einer öffentlichen Kundgebung, bei der Tomas Stockmann der Bevölkerung seine Einschätzung der Lage darlegen möchte, wird er von den Zuhörern regelmäßig unterbrochen und schließlich als "Volksfeind" beschimpft. Es folgt die Entlassung der gesamten Familie und Stockmann plant, mit ihr auszuwandern. Dazuhin setzt ihn der Schwiegervater massiv unter Druck: Der ehemalige Förderer des Kurbads kauft mit dem zukünftigen Erbe für seine Tochter alle Aktien des Bads auf, das eventuell geschlossen werden soll, um den Schwiegersohn zu zwingen, sein negatives Gutachten zurückzunehmen und damit seiner Frau das Erbe zu erhalten. Stockmann bleibt schließlich doch vor Ort.

"Der stärkste Mann in dieser Welt, das ist der, der ganz für sich alleine steht." René Laier als Kurarzt verkörpert eindrücklich den engagierten Bürger, der dem Gemeinwohl dienen möchte und dabei letztendlich fast nur Gegenwind bekommt. In seiner Ansprache an die Bevölkerung – und auch zugleich ans Publikum – wurde die geradezu erschreckende Aktualität des Themas deutlich: Klimakatastrophe insbesondere im Bezug auf Trinkwasser und Corona-Krise, wirtschaftlicher Lockdown, aber vor allem das notwendige Umdenken jedes einzelnen Menschen zum Erhalt dieser Erde.

Carsten Ramm nennt ihn einen "unbeirrbaren Streiter für Wahrheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit". Als Einzige hält schließlich Kathrin Stockmann (Vivian Prahl) zu ihrem Mann, Bürgermeisterin Gerda Stockmann (Cornelia Heilmann) verteidigt dagegen zwanghaft (mit Magenschmerzen vom verseuchten Wasser?) die wirtschaftlichen Interessen der bürgerlichen Gesellschaft, der Redakteur der "Volksstimme" (Tim Tegtmeier ), sein Mitarbeiter (Fabian Jung) und der Buchdrucker Aslaksen (Martin Behlert) verkörpern die öffentliche Meinung, die sich durch wirtschaftlichen Zwang beeinflussen lässt. Schwiegervater Morten Kiil (Hannes Höchsmann) verdeutlicht die Macht des Geldes.

Der Inszenierung ist es gelungen, unter erschwerten Corona-Bedingungen, durch Streichung mancher Rollen und ein karges Bühnenbild (Tilo Schwarz), die auch noch heute gültige Kernaussage des Stücks hervorzuheben mit der Aufforderung an das Publikum, sich zu engagieren.