Windkraftkritiker Christoph Leinß bei einer Diskussionsrunde im Gemeindehaus Lauterbach im Jahr 2016. Archiv-Foto: Borho Foto: Schwarzwälder Bote

Energie: Befürworter und Gegner gleichermaßen in Rage / Notwendig für den Klimaschutz – oder sinnlose Zerstörung von Wäldern?

Die Windkraft ist kein Selbstläufer mehr. Befürworter liefern sich kritische Auseinandersetzungen mit Natur- und Tierschützern.

Schramberg-Tennenbronn/Lauterbach. Die Windkraft Schonach hat es geschafft und kann Windkraftanlagen auf der Falkenhöhe bauen. Die Schonacher, seit 2015 ein Tochterunternehmen der Renewable Energy Systems GmbH, wollten eigentlich vier Windkraftanlagen dort bauen. Eine wurde vom Landratsamt abgelehnt, drei wurden im Laufe des Sommers und Herbsts 2019 genehmigt – je eine Anlage auf Lauterbacher, Tennenbronner und Hornberger Gemarkung im Bereich Falkenhöhe.

"2020 wird mit dem Bau der Zuwegung und den Netzanschlüssen begonnen", berichtet Thomas Fritsch, Projektleiter Windenergie der Windkraft Schonach. 2021 sollen alle drei Anlagen fertiggestellt sein. Die Windkraft Schonach hat diese Projekte rechtzeitig über die bürokratischen Hürden gebracht. Die aktuell geltende Mindestabstandsregelung sei kein Problem gewesen. "Aber wenn 1000 Meter Abstand kämen, wird es schwierig", befürchtet Fritsch.

Windkraft in der Defensive

Auch ohne eine solche Regelung wurden 2019 nur 276 neue Windkraftanlagen in Betrieb genommen, der tiefste Stand seit 20 Jahren, hat der Verein "Fachagentur Windenergie an Land" gezählt. Hauptgründe für den stockenden Ausbau seien langwierige Genehmigungsverfahren und zu wenig ausgewiesene Flächen. "Ein weiterer Grund dürfte in den vielen Klagen gegen Genehmigungen liegen, infolge derer der Bau der Windturbinen verzögert oder unmöglich wird", erklärt Jürgen Quentin, Referent Energiewirtschaft Fachagentur Windenergie und Autor einer Analyse zur Ausbausituation.

Solche Zahlen treiben den Ingenieur Johannes Haug, einer der Mitbegründer des Arbeitskreises Klimaschutz der Lokalen Agenda in Rottweil, auf die Barrikaden. Seit 20 Jahren kämpft er für Klimaschutz, seit zwölf Jahren für Windkraft. "Ohne den Zubau von Windrädern gibt es keine Energiewende", warnte er bei einem von ihm selbst angesetzten Pressegespräch in Schramberg.

Auch an der kontroversen Diskussion über Windkraftanlagen auf dem Windkapf und der Falkenhöhe beteiligte er sich engagiert. Im Selbstversuch übernachtete er sogar im "Höhengasthaus Deutscher Jäger" auf dem Windkapf, um zu beweisen, dass man trotz der Windradgeräusche gut schlafen könne. "Klimaschutz ist für das Überleben der Menschheit viel zu wichtig", ist er überzeugt. Deshalb führe kein Weg an den Windrädern vorbei: "Wir müssen das Potenzial der Windkraftstandorte voll ausschöpfen." Und wenn es damit nicht klappe, ist für ihn klar: "Mit den Enkeln möchte ich nicht tauschen."

Windkraftkritiker wie der promovierte Oberforstrat im Ruhestand, Christoph Leinß aus Ostrach, lassen Haug nicht ruhen. In zahllosen E-Mails hat er diesen zur Diskussion über das Thema aufgefordert. "Die Argumente der Gegner stehen auf tönernen Füßen", befindet Haug. Doch Leinß ging nicht auf Haugs Angebot ein. Leinß hatte schon im März 2016 auf einer Bürgerversammlung in Lauterbach zum Thema referiert, auch mit Hinblick auf das Auerwild und dessen Gefährdung durch die dort geplanten Windkraftanlagen. Denn Landschafts- und Tierschutz liegen ihm am Herzen.

Leinß war schon für Eschach (Ostalbkreis) bei den Gruppen der "ersten Stunde" des Vereins "Mensch Natur" in Göppingen mit dabei, der wiederum beim Dachverein "Bundesinitiative Vernunftkraft Berlin" mitmacht. Der Verein kritisiert die "Zerstörung von Wäldern zwecks Ansiedlung von volkswirtschaftlich sinnlosen Windindustrieanlagen". Er fordert die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und den "Stopp des subventionierten Ausbaus von Windkraft und Fotovoltaik". "Die Erträge stehen in keinem Verhältnis zum Aufwand und zur Schädigung der Natur, wenn man die Stromausbeute (Referenzertrag und Standortgüte) und die Versorgungssicherheit einbezieht. Zumal die Windkraft mit ihrer schwankenden Ertragsmenge Doppelstrukturen an Gas- oder Kohlekraftwerken erfordert für die Versorgungssicherheit", erklärt Leinß. Zudem gehörten der Schutz von Fledermäusen, Rotmilan und anderen Vögeln zu den öffentlichen Belangen, die das Landratsamt als Genehmigungsbehörde prüfen müsste.

Streit der Experten

Für den Schutz solcher Tierarten auf der Falkenhöhe legt sich der Biologe Olaf Kiffel aus Mainz besonders ins Zeug. Beim Genehmigungsverfahren zum Windpark war er von Anfang an als Beobachter und mit Einwendungen dabei: Gefährdung seltener Vogelarten, optische Bedrängung, Schattenwurf, Erschütterungen (Quellen) und Schall führte er als Gründe an.

Er kritisierte, dass das Verfahren es erlaube, dass die Windkraft Schonach die dem Landratsamt vorzulegenden Gutachten durch selbst bestellte Gutachter erarbeiten lasse und für solche Verfahren keine staatlich bestellten und vereidigten Gutachter vorgeschrieben seien.

"Die Gutachten … sind nicht prüffähig, beziehungsweise nicht verwendbar", urteilte Kiffel und begründete dies in seiner Einwendung. Ein Gutachter der Windkraft Schonach kritisierte seinerseits Kiffel in einem unserer Zeitung zugespielten Papier so: "Ein Objektivität seiner Darstellung kann daher prinzipiell in Abrede gestellt werden." Der Landkreis folgte letztlich den Gutachtern der Windkraft Schonach und erteilte die Genehmigung.

Olaf Kiffel hat beim Regierungspräsidium (RP) Freiburg Beschwerde gegen die Genehmigung der Windkraftanlagen Falkenhöhe eingelegt. Da er bis jetzt noch keine Antwort vom RP erhalten und deshalb Sorge habe, dass das Thema verschleppt werde und mit dem Baubeginn Fakten geschaffen werden könnten, hat Kiffel auch beim Innenministerium Baden-Württemberg eine Beschwerde über das RP eingelegt.

Unsere Anfrage an das RP zur Beschwerde hat Heike Spannagel, Pressesprecherin des RP, so beantwortet: "Kiffel hat seine Fachaufsichtsbeschwerde am 8. September eingereicht. Er begründete die Beschwerde unter anderem damit, dass das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahrens am Landratsamt fehlerhaft durchgeführt worden sei. Insbesondere die öffentliche Bekanntmachung sei unzureichend. Daneben seien die abzuwägenden naturschutzrechtlichen Belange unvollständig.

Wie bei Fachaufsichtsbeschwerden üblich, hat das RP das Landratsamt daraufhin um Abgabe einer Stellungnahme gebeten. Diese ging am 4. Dezember ein. Angesichts des großen Umfangs der Stellungnahme war eine abschließende Bearbeitung der Beschwerde bislang noch nicht möglich. Das zuständige Referat hat Kiffel darüber informiert, dass eine Bearbeitung seiner Beschwerde innerhalb der von ihm gesetzten Frist bis zum 6. Dezember nicht möglich sein würde. Die Fachaufsichtsbeschwerde wird zeitnah entschieden werden. Verwaltungsbeschwerden dieser Art sind im Übrigen nicht an bestimmte Fristen gebunden".