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Unternehmen in der Region setzen bei der Suche nach Fachkräften auch auf die eigene Belegschaft

Prall gefüllte Auftragsbücher und nicht genug Personal: Die meisten Unternehmen der Region stöhnen über den Fachkräftemangel und einige greifen zu unkonventionellen Maßnahmen.

Schramberg/Schiltach. Die Nachfrage nach den leistungsfähigen mehrspindligen Bearbeitungszentren der Schwäbischen Werkzeugmaschinen GmbH (SW) in Waldmössingen boomt: Der Umsatz erhöhte sich in den vergangenen vier Jahren um 80 Prozent, und die Belegschaft am Standort Waldmössingen wuchs im selben Zeitraum von 320 auf 630 Mitarbeiter. Immer noch nicht genug für die starke Nachfrage.

"SW hat in diesem Jahr mehr als 100 Neueinstellungen geplant", berichtet Personalleiter Roland Fischinger. "Wir suchen Mitarbeiter für verschiedenste Abteilungen – ob Verwaltung, Service oder Produktion", ergänzt er. Nicht einfach zu finden bei der Vollbeschäftigung in der Region.

Wer von der Belegschaft einen neuen Kollegen wirbt, erhält deshalb ein Prämie in vierstelliger Höhe. Fällig wird sie, wenn der neue Kollege nach dem Ende der Probezeit weiterbeschäftigt wird.

Und ein Ende des Fachkräftemangel ist nicht in Sicht, im Gegenteil, er wird sich weiter verschärfen. "Weil in den kommenden Jahren die Babyboomer-Generation in Rente geht, wird der Engpass von heute rund 308 000 fehlenden Fachkräften auf 527 000 im Jahr 2030 ansteigen. Die Unternehmen aus Baden-Württemberg werden jede siebte Fachkräftestelle nicht besetzen können", befürchtet Marjoke Breuning, Präsidentin der IHK Region Stuttgart, mit Blick auf den IHK-Fachkräftemonitor (siehe Infokasten).

Fast zwei Drittel der Unternehmen meldeten in der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage, dass der Fachkräftemangel ihr Geschäft bedrohe. Beim Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist die IHK Stuttgart für Fragen der Konjunktur und Beschäftigung zuständig.

SW ist nicht das einzige Unternehmen der Raumschaft, das sich von seinen Mitarbeitern bei der Fachkräftesuche helfen lässt. Auch die Schweizer Electronic AG in Sulgen hat ein Prämienprogramm "Mitarbeiter werben Mitarbeiter" gestartet. Es zeige sich immer wieder, dass die beste Werbung für das Unternehmen zufriedene Mitarbeiter seien, die es weiterempfehlen, heißt es aus dem Unternehmen.

In Schiltach nutzt die Hansgrohe SE dieses Instrument: "Wir bieten diese Aktion auch an, beschränken uns dabei jedoch jeweils auf bestimmte beziehungsweise sehr anspruchsvolle Rekrutierungen (zum Beispiel digital)", erklärt Astrid Bachmann, Teamleitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Dort winken dem Tippgeber 1000 Euro brutto Vermittlungsprovision, wenn der neue Mitarbeiter nach sechs Monaten weiterhin im Unternehmen beschäftigt wird.

Werbung mit Leitbild

Prämien können nur ein Faktor der Mitarbeitergewinnung sein. SW nutzt auch sein Unternehmensleitbild (Menschlichkeit, Leistungswille, Mut und Verantwortung sowie Verlässlichkeit) beim Wettbewerb um Fachkräfte. "Da unsere Mitarbeiter die glaubwürdigsten Kommunikatoren unserer Marke sind und daher auch bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern eine große Rolle spielen, haben wir mit dem Leitbild das Gremium der Markenbotschafter gegründet", sagt Marketingleiterin Stefanie Hils. In diesem seien mittlerweile mehr als 30 SWler, die überlegten, wie das Leitbild gelebt und nach außen in Richtung Kunden und potenziellen Mitarbeitern getragen werden könne.

Unternehmenskultur

Eine ähnliche Strategie verfolgt auch Trumpf Laser in Sulgen: "Mitarbeiter werben Mitarbeiter, weil man von der Unternehmenskultur und den Arbeitsbedingungen begeistert ist und auch mit einem sehr guten Gefühl Trumpf als Arbeitgeber empfiehlt", erklärt Personalleiterin Carolin Werth. Über die tarifvertraglichen Regelungen hinaus punkte Trumpf Laser mit weiteren Komponenten der Arbeitsgestaltung: flexible Arbeitszeitkonten, Gleittage, mobiles Arbeiten, Kinderferienbetreuung und Angebote wie die Kooperation mit einem Fitness-Center, Yoga-Kurse und Wanderabende sind nur einige Beispiele.

Trotz des starken Wachstums habe Trumpf Laser die besondere Kultur eines Familienunternehmens beibehalten. "Nicht nur unsere langjährigen, sondern gerade auch neue Mitarbeiter wissen das familiäre Arbeitsklima und die sehr gute Zusammenarbeit untereinander zu schätzen. Das zeigt auch die extreme geringe Fluktuation und dass wir keine Abbrecher bei den Azubis haben, die übrigens alle unbefristet übernommen werden", so Produktionsleiter Eugen Göller.

Keine Lösung in Sicht

"Auch die Digitalisierung der Wirtschaft wird den Fachkräftemangel nicht abmildern können", warnt IHK-Präsidentin Breuning mit Blick auf den IHK-Fachkräftemonitor. "Beruflich Hochqualifizierte und Akademiker sind in der Wirtschaft 4.0 noch stärker gefragt, als sie es ohne Digitalisierung wären", erwartet Breuning. Durch die Digitalisierung steige die Nachfrage nach entsprechend Qualifizierten allein in diesem Jahr um rund 13 000 Fachkräfte.