Die machtvolle romantische Walckerorgel stand beim Silvesterkonzert in St. Maria einmal mehr im Mittelpunkt des Geschehens. Foto: Kasenbacher Foto: Schwarzwälder-Bote

Silvesterkonzert in St. Maria mit Orgel und Trompete ein echtes Erlebnis / Spielfreude überträgt sich auch auf die große Leinwand

Von Hans WernerSchramberg. Kaum war je bei einem Orgelkonzert die St.-Maria-Kirche so voll besetzt wie am vergangenen Silvester, als Sebastian Küchler-Blessing, der mittlerweile hochdekorierte junge Organist aus Freiburg, und Jens Böcherer, Solotrompeter am Staatstheater Karlsruhe, hier zusammen musizierten. Andreas Hettich, zweiter Vorsitzender des Vereins der Schramberger Orgelkonzerte, richtete Grußworte an alle Anwesenden und dankte zum Abschluss der Konzertsaison dem Kuratorium sowie den vielen Gönnern und Sponsoren, ohne die diese hochkarätigen Konzerte nicht möglich wären. Er stellte die aus der Region stammenden Künstler vor, Jens Böcherer als Sohn von Walter Böcherer, dem früheren Dirigenten der Stadtmusik, und Sebastian Küchler-Blessing, der aus Rottweil stammt und vor zehn Jahren sogar schon einmal auf der St.Maria-Orgel konzertiert habe, so Hettich. Per Videokamera wurde das Konzertgeschehen von der Empore auf eine große Leinwand übertragen, und somit konnte man vor allem das Spiel des Organisten, seine fliegenden Bewegungen auf den Manualen und sein akrobatisches Spiel auf den Pedalen genauestens mitverfolgen.

Von J.S. Bach erklang zunächst das Concerto D-Dur nach Antonio Vivaldi für Trompete und Orgel. Der brillante Solopart der Trompete mit seinen langen Laufketten barocker Sequenzen folgte präzis in feingliedriger Tongebung. Weithin hallende Akkorde der begleitenden Orgel gaben dem ersten Satz in perlender Virtuosität sein festliches Gepräge.

Im geschmeidigen Legato folgte der zweite Satz, abgerundet registriert und auf der Trompete behutsam gestaltet, geschmackvoll mit Barocktrillern ausgeziert. Ungewöhnlich lebhaft und virtuos wirkte der dritte schnelle Satz, vermutlich ein Vivace, bei dem über häufigem Manual- und Registerwechseln der Orgel der Solist 32stel-Themen mit schnellem Stoß bis hin zu höchsten Lagen realisieren musste.

In perlender Spielweise, verhalten registriert, folgte ebenfalls von J.S. Bach "Gigue-Fuge in G-dur für Orgel solo". Das war nun ganz ein introvertiertes Musizieren, präzise und locker wurden die hurtigen Themen der Gigue, dem Namen nach ein Hüpftanz, intoniert, auch die Pedalläufe hatten nirgendwo etwas Schwerfälliges, sondern wirkten ätherisch leicht. Im anschließenden "Schübler-Choral" "Wachet auf, ruft uns die Stimme von J.S. Bach spielte die Solotrompete in ergreifend schlichter Einfachheit die in Liedzeilen segmentierten Choralthemen, während die Orgel, wie bei Bach üblich, ausdrucksstark bewegte Zwischenspiele einbaute.

Gerade durch die Videoübertragung konnte man hier als Konzertbesucher mitverfolgen, wie der Organist seinen Part sozusagen mit schwingender Bewegung ausdrucksvoll zu gestalten vermochte. Romantisch empfindungstief, voll und weich registriert, mit homogen sich entwickelndem Klang, gestaltete der Organist "Präludium und Fuge f-moll" von Felix Mendelssohn-Bartholdy, in der Bearbeitung von Christoph Bossert. Im furiosen Fugenthema zeigte sich überschäumend virtuos die typische Spielfreude des romantischen Komponisten, der die alte barocke Form der Fuge mit souveräner Freiheit behandelte. Das folgende Konzert in D-Dur von Giuseppe Tartini war alles in allem fröhliche Barockmusik. Schon der Anfang gestaltete sich wie ein barocker Festmarsch, auf dem die Trompete indessen mit müheloser Leichtigkeit seine Soli darüber setzte. Im langsamen Satz erklang ein Thema von volksliedhafter Innigkeit, bevor der schnelle Satz mit signalreichen, äußerst kapriziösen Solofiguren bis in höchste Lagen dieses Werk abrundete.

Danach kam man zum spannendsten Teil des Konzerts, den "Improvisationen über zugerufene Weihnachtslieder". Rudi Schäfer erläuterte zunächst das Prinzip der Improvisation, des anspruchsvollen Stegreifspiels, bei dem ein Organist alle Register seines Könnens ziehen müsse und bei dem einmalige und nicht wiederholbare Tonschöpfungen entstünden. Wer erinnert sich nicht an den legendären Orgelwettstreit in Leipzig, 1717, zwischen Bach und Louis Marchand, bei dem dieser, nachdem er heimlich Bach hatte spielen hören, schlagartig die Flucht ergriffen habe. Zu allen Zeiten gehörte das Improvisieren zu den ureigensten Fähigkeiten, die man von jedem großen Organisten erwartete. Und es darf gesagt werden, dass Sebastian Küchler-Blessing wahrhaft seinen Meister zeigte. In vier Sätzen musste er aus dem Stegreif eine ganze Orgelsymphonie gestalten, und als Themen wurden ihm im Moment von Rudi Schäfer die Weihnachtslieder für jeden Satz zugerufen. Das war ein unnachahmliches Erlebnis, wie dieser junge Organist alle Möglichkeiten des Instrumentes technisch ausnutze, wie er in stets wechselnder Registrierung die Weihnachtslieder wie von ferne anklingen ließ, manchmal als Cantus firmus im Pedal, dann in raffinierter harmonischer Verfremdung in leisem Salicional. Zudem traf er mit sicherem Stilgefühl die Eigenart eines jeden Satzes, im humoristischen Scherzo zum Beispiel, oder auch im prächtigen Schlussfinale.

Man konnte nur staunen und atemlos über die Leinwand mitverfolgen, wie dieser junge Künstler sich im Spielen völlig auslebte und eine kaum vorstellbare Vitalität an den Tag legte.

Die beiden Stücke am Ende waren dagegen beinah entspannend: das bekannte Triolenthema von "Jesu bleibet meine Freude" von J.S. Bach, mit lässiger Hand gespielt, auf der Trompete mühelos intoniert, und dann jene bekannte, signalreiche Suite in D-Dur von Jeremiah Clarke, jenem volkstümlichen Großmeister der englisch-barocken Festmusik. Zwei Zugaben, eine Sarabande und das bekannte Te Deum von Charpentier, machten den guten Schluss, bevor die Zuhörer beglückt und beschwingt in das Neue Jahr gingen.