Udo Bertsch ist zweiter Vorsitzender des Vereins Touristik, Handel und Gewerbe Schömberg. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Udo Bertsch: Regionalplanung setzt auf Mittel- und Oberzentren. Einzelhandel in Fläche benachteiligt.

Schömberg - Bei der Jahreshauptversammlung des Vereins Touristik, Handel und Gewerbe (THG) Schömberg hielt Udo Bertsch als zweiter Vorsitzender ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Investitionen seiner Handels- sowie Gewerbekollegen.

Einen freien Termin mit Einzelhändler Udo Bertsch zu finden, ist nicht einfach. Zwölf, 13 Stunden haben seine Arbeitstage. Minimum. Viel ist er unterwegs – sich um den Einkauf kümmern, Inspiration holen, Kontakte knüpfen. Das Ohr immer am Puls des Zeitgeistes. Er arbeite halt in der Modebranche. Sichtlich erfolgreich: Bertsch in Schömberg ist eine Marke, in mittlerweile der dritten Generation sind die Verkaufsflächen auf zuletzt weit mehr als 1400 Quadratmeter gewachsen.

"Wir haben uns mit den Jahren langsam die Straße hinauf gearbeitet", sagt Bertsch lachend, der bereits 1997 die Geschäftsführung von Vater Karl-Heinz Bertsch übernommen hat. Der arbeitet aber als Senior immer noch im Betrieb mit, als Schneider – "nicht weil er müsste, sondern weil es ihm Spaß macht und ihn jung hält", erzählt der Sohn.

Es ist noch recht früh am Morgen. Kurz nach Geschäftsöffnung. Die noch etwas ruhigere Zeit im Laden. Udo Bertsch führt den Besuch zu einer Bistro-Ecke – bietet frischen Kaffee an, steht selbst hinter dem Tresen, bedient. Service-Orientierung ist alles für den gelernten Einzelhandelskaufmann und Textilbetriebswirt. Da wird er auch mal zum Kellner. "Wir machen im Handel ja eigentlich nichts anderes mehr als Entertainment", so sein überraschendes Statement, als er nach dem Wert von Erlebniseinkauf gefragt wird. Einfach Sortimente anzubieten war gestern. "Heute geht es um die Emotion – der Kunde, die Kundin muss und will sich wohlfühlen." Auf einzigartige Erlebnisse komme es an, dann geben die Menschen auch weiterhin gerne ihr Geld im stationären Handel aus.

"Cross-Sale"-Angebote schaffen heißt das auf neudeutsch. "Frau Mayrhofer vom Primavera schräg gegenüber hat uns hier in Schömberg ja eindrucksvoll gezeigt, wie das geht." Geschenkartikel, Teestube, Salzgrotte – und der Blumenhandel als Partner unterm gleichen Dach. "So sieht die Zukunft aus", ist Bertsch überzeugt. Ohne solche Ideen wäre der alte Schlecker-Laden heute sicher ein Leerstand. "Schauen Sie nach Liebenzell oder nach Neuenbürg – die katastrophalen Leerstände dort." So sehe das Horror-Szenario aus, wenn es keine neuen Ideen, neue Innovationen und Investitionen gebe. "Stehenbleiben dürfen wir einfach nicht."

Allerdings – Laden- und neue Handelskonzepte seien das eine. Langsam müssten auch die Gewerbeordnung und der Wirtschaftskontrolldienst lernen, dass sich da etwas in der Welt abseits der Behörden verändert. Eine Schankerlaubnis in der Mode-Boutique? Erlebnisgastronomie neben Kleiderständern? "Da geht es hin – unweigerlich." Aber auch zum Beispiel bei den Öffnungszeiten braucht’s Kreativität: "Die Abendverkäufe im Sommer sind immer gut frequentiert." Ebenso die Schömberger Events. Mehr Sonntagsverkäufe? Bertsch wägt ab: Im Augenblick gebe es die hier zweimal im Jahr; viermal im Jahr wäre vielleicht sinnvoll – aber mehr nicht.

"Ich sehe eine spürbare Renaissance bei den Menschen zurück zu den alten Werten." Dazu gehöre auch die Wertschätzung des Sonntags als Feiertag. "Der soll etwas Besonderes bleiben." Auf eine "gesunde Balance" käme es da wohl an. Die für Bertsch sehr viel größere Herausforderung, gerade für einen eigentlich ja kleinen Ort wie Schömberg: "Der stete Kampf mit dem Regionalverband, als Einzelhandelsstandort akzeptiert und zumindest nicht weiter behindert zu werden." Denn in der überregionalen Planung seien nach seiner Erfahrung funktionierende Handelsstandorte abseits der Mittel- und Oberzentren wie Calw oder Pforzheim gar nicht vorgesehen.

Permanenter Kampf gegen Hindernisse

"Das blockiert zum Beispiel die ganze Zeit die Entwicklung der Neuen Mitte", resümiert Bertsch zum derzeit wohl wichtigsten Schömberger Bau- und Handelsprojekt. "Gegen solche Hindernisse müssen wir permanent ankämpfen", zum Beispiel durch die erwähnten und von Bertsch geforderten Investitionen des (noch) bestehenden Einzelhandels in seine Standorte und Angebote. "Denn was bereits da ist, darf an der Entwicklung nicht behindert werden." Was einmal verschwinde, sei aber nur sehr schwer durch neue Angebote zu ersetzen. Gerade an Handelsplätzen wie Schömberg.

"Jeder Unternehmer braucht immer eine Vision." Für Bertsch wäre das: Schömberg als "das Einkaufs-Erlebnisdorf" im Schwarzwald aufzubauen, quasi ein "Freiluft-Breuningerland" mit komplettem attraktivem Sortiments-Pool für den umfassenden Einkaufsbummel. Und für das Modehaus Bertsch? "Wir sind schon irgendwie von der Angebotsfläche her an unseren Wachstumsgrenzen angekommen", was aber ja nicht bedeuten müsse, nicht trotzdem neue Ideen noch umzusetzen. Noch mehr "Cross-Sale" zum Beispiel. Oder "Sortimentserweiterung an einem neuen, weiteren Standort", ohne hier aber wirklich schon konkret werden zu wollen.