Die "Staig-Luise" empfängt an ihrem 100. Geburtstag zahlreiche Gäste.Repro: Schoch Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: "Staig-Luise" feiert vor mehr als 70 Jahren einen ganz besonderen Geburtstag / Viele Gratulanten

Die "Staig-Luise" ist bis heute die einzige 100-Jährige in der Gemeinde Schenkenzell. Ihren besonderen Geburtstag hat sie am 24. August 1946 gefeiert, ein Samstag.

Schenkenzell. Mit Humor und viel Gottvertrauen meisterte sie ihr Leben. Keinen Tag wollte sie missen, trotz aller Sorgen und Mühen, so ihre Äußerung am Festtag, dem 24. August 1946.

Die "Staig-Luise", wie sie überall genannt wurde, wird an diesem Tag stolze 100 Jahre alt. Ihr Wunsch war, dass dieses gesegnete Alter ein Ehrentag werden soll. Aber die äußeren Zeichen waren nicht allzu günstig. Die Ernährungslage in Deutschland verschlechterte sich dramatisch. Die Ernte blieb in diesem Jahr hinter den Erwartungen zurück und die Lebensmittelleistungen wurden gekürzt.

Trotz dieser Not verhalf man der Jubilarin zu einem schönen Fest. Schwager Johannes Bühler vom Unterkaibachhof und die Gemeinde Schenkenzell machten es möglich, dass es auf der Staig an diesem Tag zu essen und zu trinken für alle Gäste gab – war das ein "Völkerwanderung" aus allen Richtungen hoch zur Staig. Alle wollten der allseits beliebten Luise zum 100. Geburtstag gratulieren.

Selbst der Fürst zu Fürstenberg, Karl Egon IV, war erschienen. Mit ihm waren auch der Landrat von Wolfach und Schenkenzells damaliger Bürgermeister gekommen. Der Musikverein sorgte den ganzen Tag über für musikalische Unterhaltung. Getanzt wurde auf der Heubühne. Gerne hätte die Jubilarin noch einige Runden gedreht, aber das ging nicht mehr. Sie tanzte früher gerne und, wie man so schön sagt, "wie der Lump am Stecken". Die "Staig-Luise" sang spät abends mit ihren Gästen noch das Lied: "Im schönsten Wiesengrunde...", ehe sie diese verabschiedete.

Luise Lehmann wurde am 24. August 1846 auf der Spannstatt im Haus des späteren "Bienenvaters" Franz Armbruster geboren. Vater Mathias Lehmann war Flößer, Holzhauer und Landwirt und Mutter Anastasia Spengler stammte ebenfalls aus einer Flößerfamilie. Als Schülerin brachte Luise dem Vater immer das Mittagessen in den Wald oder an den alten Bach beim Schlosshof. Es war für sie immer höchst interessant, von den Erlebnissen der Flößer, ihre Abenteuer und Heldentaten auf den Fahrten vom Tal bis an den Rhein zu hören.

Die besondere Jubilarin musste in ihrer Jugend schwer arbeiten. Die Eltern hatten Felder links und rechts der Kinzig, am Hochberg wie am Pfarrberg. Dies waren absolute Steilhangflächen. Im Frühjahr und Herbst musste der Ackerboden mit einem Korb auf dem Kopf den Berg hochgetragen werden, ebenso der Mist für die Kartoffelfelder. Aber sie war immer lustig und kreuzfidel.

Sie machte Jakob Sum von einem einsamen Hofgütchen auf der Staig "schöne Augen". Vor der Hochzeit wollte sie sich für die Aussteuer noch Geld verdienen und ging für Wochen in die "Schwobeernte". Es waren sauer verdiente Kronentaler. Aber eine rechte Bauernhochzeit sollte es schon sein. Und wie haben Bauersleute früher in Bergzell geheiratet? Die Brautleute gingen mit zwei Trauzeugen ins Rathaus. Der Bürgermeister legte seine Amtskette an und sprach kurz und bündig: "Wenn ihr einander wennt, so genn ihr einander d’ Händ, im Namen des Gesetzes und jetzt het’s ses."

Am Dienstag, 25. Juli 1876, fand dann die kirchliche Hochzeit in der Pfarrkirche St. Ulrich statt. Eine Bauernhochzeit mit Morgensuppe, Böllerschießen, Maien und Musik zur Kirche und nach dem Gottesdienst ging es in den Gasthof. Beide, Jakob und Luise, heirateten in Fürstenberger Tracht. Diese Tracht trugen beide stets sonntags und zu allen übrigen festlichen Anlässen.

Der "Staig-Jakob" war ein kräftiger und großer Mann. Als Holzhauer und Flößer war er deshalb besonders prädestiniert.

Sonntags führte er ein Ehrenamt: In der Kirche war er bei den Buben "Stöckle-Vogt". War einer der Buben während des Gottesdiensts unartig, so schlug er ihm das Gebetbuch auf den Kopf, dass dieser die "Engel im Himmel singen hörte".

Im besten Auerhahn-Revier im fürstlichen Gebiet war "Staig-Jakob" der fürstliche Auerhahn-Beobachter. Schon früh um 3 Uhr stand er auf, um vor dem Anflug der scheuen Auerhähne dort zu sein – und damit, bevor sie ihr Hochzeits- und Liebeslied ertönen ließen. Er führte die Jagdgäste an die Balzplätze. Hatte der Fürst Erfolg und schoss einen oder mehrere Hähne, so bekam seine Tochter ein Goldstück vom Fürst und der Fürst als Gegenleistung einen Blumenstrauß. Auerhähne und ihre Balzplätze ausfindig zu machen, das interessierte auch Jakobs Sohn Josef.

Der Vater weihte Josef in diese besondere Aufgabe ein. Dieser fand schließlich daran so einen Gefallen, dass er, als "Staig-Sepp" bekannt, 50 Jahre dieses Amt versah und vom Fürst eine besondere Auszeichnung erfuhr. Es war immer ein besonderes Ereignis, wenn im Frühjahr Max Egon Fürst zu Fürstenberg zur Auerhahnjagd nach Schenkenzell kam. Oft brachte er Gäste mit, die in schönen Kaleschen anreisten. Jagdgäste wie Prinz Ratibor, Herzog Albrecht von Württemberg, Graf Bismarck und Altgraf Salm aus Böhmen, um nur einige zu nennen.

Aus der Ehe von Jakob und Luise Sum gingen fünf Kinder hervor. Das Leben auf der Staig war für Luise Sum hart. Sie konnte damit gut umgehen, hatte aber auch einige Schicksalsschläge hinzunehmen. So verstarben zwei Kinder bereits in jungen Jahren. Der jüngste Sohn Andreas fiel 1918 im Ersten Weltkrieg. 1926, kurz vor der Goldenen Hochzeit, verstarb Ehemann Jakob.

Fünf Monate nach ihrem festlich begangenen 100. Geburtstag starb Luise Sum in ihrem Haus auf der Staig. Sie nahm noch von ihrer Tochter Luise und ihrem Sohn Josef Abschied und schlief ein. Ein Bernerwägele brachte sie von der Staig über das Kaibachtal zum Heimatfriedhof, wo sie hinter der Kirche noch Jahrzehnte ruhte.