Die Redner und die Fotografin blicken in die interessierten Gesichter aufmerksamer Zuhörer. Foto: Schmidtke

Bevölkerung feiert Weihe der Roßbergkapelle. Hinter jedem Stein steckt bewegte Geschichte.

Schenkenzell - "Es ist vollbracht", zog Bürgermeister Thomas Schenk sein Resümee zur Eröffnung der sanierten St. Georgs-Kapelle auf dem Roßberg.

Über 400 Gäste hatten sich auf den Weg gemacht, um beim Festakt, Gottesdienst und der Weihe dabei zu sein. Ein Shuttleservice war eingerichtet worden, da die Parkmöglichkeiten begrenzt waren. Zu den Akteuren gehörten die Kaibachbläser, die den festlichen Akt mit dem Spiel auf ihren Parforcehörnern verschönerten.

Jens Borchers, Betriebsleiter und Forstdirektor im Haus Fürstenberg, begrüßte die Festgäste: "Wir lassen den Roßberg wieder auferstehen. Die Roßbergkapelle lebt wieder." Wie ein "verkommenes Loch" habe die Kapelle vor ein paar Jahren gewirkt. Dabei sei die Gegend über das Roßberg-Plateau besiedelt worden, so vermute man zumindest. Wie der Wald und die Wiesen um 1275 aussahen, das sei fern jeder Vorstellung. Vor fünf Jahren wurde in der Nähe der Kapelle ein Friedwald eröffnet – etwas vollkommen Neues in einer uralten Umgebung. Seither wurden dort rund 200 Menschen bestattet. Seinen Dank sprach Borchers Revierleiter Martin Herrmann aus: "Sie sind derjenige, der hier jeden Stein kennt".

Fürstenberg-Archivar Andreas Wilts tauchte in die Geschichte ein. 1575 habe der Vogt von Kaltbrunn, Hans Glück, seinem Kummer freien Lauf gelassen: Seit 40 Jahren wohne kein Pfarrer mehr dort. Dabei sei der Friedhof ein ganz besonderer Ort: "Ihm wohnt eine Kraft inne", soll der Vogt mitgeteilt haben.

Die Roßbergkapelle war Pfarrkirche für das Kaltbrunner- und Wittichertal, das Vortal, den Hinteren Heubach und Teile von Reinerzau. "Erst 1806 trat Wittichen an die Stelle des Roßbergs. Zuvor war allerdings schon die Pfarrei Schritt für Schritt ausgehöhlt worden", bedauerte Wilts und beleuchtete die Entwicklung der Kirche. "Vermutlich lag hier eine vorchristliche Kultstätte. Dafür könnte das Georgs-Patronat sprechen. Georg, der Ritter, der den Drachen tötet. Die Überwindung des Heidentums durch das Christentum", erklärte Wilts.

1324 entstand das Kloster Wittichen. Die Roßberg-Pfarrei und die Witticher Schwestern lagen ständig überkreuz.

Wilhelm von Fürstenberg läutete das Ende der Pfarrkirche ein

Das Georgs-Patronat habe den Nonnen nicht gepasst. 1501 weihten sie die Kapelle sogar um, zu Ehren des Nothelfers Ägidius und Ursula und der 1000 Jungfrauen. Nur das Kirchweihfest wurde noch zum St. Georgstag im April gefeiert. Auch die Kaltbrunner gingen ihrer eigenen Wege. 1475 errichteten sie die heutige Friedhofskapelle und erwarteten vom Pfarrer des Roßbergs, dass er dort den Gottesdienst hielt. Das Ende der Pfarrei kam in der Reformationszeit mit Wilhelm von Fürstenberg, einem überzeugten Protestanten. Die alte Pfarrkirche sei für den Gottesdienst systematisch ruiniert worden. Das Gebäude wurde teils zerstört, der Pfarrer floh nach Hochmössingen. Die Nonnen von Wittichen sollten das Kloster verlassen und heiraten. 1557 bestand der Konvent in Wittichen noch aus zwei Schwestern. Ein regelmäßiger Gottesdienst fand seit 1540 auf dem Roßberg nicht mehr statt. So lag die Kirche lange im Dornröschenschlaf.

Von Vielen als wunderbare Sache empfunden, fand gestern die Einweihung der Kapelle ökumenisch statt. Pfarrer Wolfgang Tuffentsammer und Monsignore Adam Borek hielten eine Andacht. Bürgermeister Thomas Schenk erläuterte die Finanzierung der Sanierung, die über Zuschüsse der Denkmalförderung, der Denkmalstiftung des Landes und der Gemeinde Schenkenzell geschultert wurde. Zahlreiche Geld- und Sachspenden kamen hinzu. Die Sanierung glich dennoch einem Spagat:. Restauratoren erstellten Gutachten, bei den Behörden stieß man nicht immer auf Akzeptanz. Glücklicherweise habe es viele Freiwillige gegeben, die mitanpacken wollten. "Was geschaffen wurde, ist das Werk von vielen", lobte Schenk. Heute sorgt sich ein gemeinnütziger Verein um das Gebäude.

Nach dem Gottesdienst verköstigten die Landfrauen die Besucher. Martin Herrmann und seine Kollegin Irene Dittus gaben im Anschluss Führungen durch den Friedwald und auch Bestatter Michael Harter informierte über die Abläufe auf dem letzten Weg.