Hinter den dicken Tuff-Mauersteinen: Erstes Obergeschoss (Balkon mit Blumen): Suiten eins bis sechs. Erdgeschoss: Ausstellung, Kaminzimmer, Billardzimmer, Catering und Personal. Erstes Untergeschoss: Zimmer sieben bis neun. Zweites Untergeschoss: Jagdzimmer und Catering. Foto: Rainer Langenbacher

„Ich hoffe, den Namen Junghans aufpolieren zu können.“ So beschreibt Hans-Jochem Steim sein Engagement für das „Gut Berneck“. Jahrelange, behutsame Renovierungsarbeiten neigen sich dem Ende entgegen – vom ehemaligen Krankenhaus zum Gästehaus.

Der Kronleuchter an der Decke der Eingangshalle strahlt seit über einem Jahrhundert auf die Gäste herunter. Am untersten Ring fehlen zwei, drei Kristallteile. „Die habe ich schon anfertigen lassen, müssen nur noch montiert werden“, sagt Hans-Jochem Steim. Ein kleines Detail, so scheint es. Aber für den neuen Eigentümer genauso wichtig fürs perfekte Gesamtbild wie die Parkettböden, die Fenster, die Fliesen, die Einrichtung, die Wand- und Deckenarbeiten, der Rollrasen hinterm Haus und die verkleidete Brandschutztür im Untergeschoss.

„Die Welt erwacht mit Junghans-Uhren“ hieß einst der Werbespruch. Nun erwacht ein bedeutender Teil der Junghans-Welt wieder mit der Eröffnung des Gutes Berneck. Die Fabrikantenvilla von Arthur Junghans, erbaut 1910/11 nach den Plänen des Stuttgarter Architekten Paul Schmohl, wird sich künftig mit Gebäuden wie der Villa Hügel (Industriefamilie Krupp) in Essen messen lassen müssen. Und, so weit darf man sich bereits heute aus dem Fenster lehnen, diese Vergleiche wird sie mit Bravour bestehen.

In dem burgähnlichen Anwesen ist mit der Ära Steim alles anders – und doch ist alles beim Alten. Darin liegt vermutlich die Kunst einer denkmalgerechten Renovierung. Oder besser: einer liebevollen Herstellung des ursprünglichen Zustands.

84 Zimmer, 3300 Quadratmeter Fläche

„Mit jedem Bau lernt man dazu“, meint Hans-Jochem Steim gut gelaunt. Angesichts seiner anderen Projekte, wie dem Junghans-Terrassenbaumuseum oder der Autosammlung Steim, fast ein bisschen Koketterie – die er sich erlauben darf. Denn letztendlich zählen Ergebnisse. Und da macht dem Schramberger Ehrenbürger und ehemaligen Landtagsabgeordneten so schnell niemand etwas vor. „Die Stadt war nicht in der Lage, das Gut Berneck zu erhalten und einer sinnvollen Nutzung für die Allgemeinheit zuzuführen. Bevor es in die Hände von Spekulanten fällt, habe ich es lieber selbst erworben“, sagt Hans-Jochem Steim. „Welch destruktive Politik hier betrieben wird, sieht man doch am Krankenhaus“, betrauert der Unternehmer die Infrastruktur seiner Heimatstadt.

Als „bewegliches Kulturdenkmal“ ist die Schiedmayer-Orgel ins Denkmalbuch des Landes eingetragen. Foto: Rainer Langenbacher

2016 hat die Immobilienverwaltung Geißhalde GbR der Familie Steim die Villa erworben. Nachdem der letzte Mieter im Mai 2019 ausgezogen war, startete das Projekt „Gut Berneck“. Seither tastete sich der neue „Burgherr“ an das Gebäude heran. Im sprichwörtlichen Sinne. „Anfangs habe ich mich oft verlaufen, mittlerweile kenne ich die Wege, Räume und Gänge aber im Schlaf.“ Was man bei 84 Zimmern sowie einer Wohn-, Nutz- und Verkehrsfläche von 3300 Quadratmetern durchaus als Gehirnjogging bezeichnen darf.

70 Kilometer Leitungen verlegt

Noch zwei eindrückliche Zahlen, die den Umfang der Umbauarbeiten erahnen lassen: 260 Sensoren sind eingebaut und 70 Kilometer Leitungen verlegt. Der Bund sowie das Landesamt für Denkmalpflege und die Denkmalstiftung unterstützen das Vorhaben mit rund 3,6 Millionen Euro. „Dies entspricht rund 45 Prozent der Gesamtinvestition“, erläutert Hans-Jochem Steim.

Geschirr aus Villa Junghans

In manchen Ecken wurde lediglich zurückgebaut, andere Bereiche hingegen komplett umgestaltet. Wo früher die Kapelle war, ist heute der Frühstücksraum, und der Platz des ehemaligen Beichtstuhls ist in die Küche integriert. Übrigens: Das Geschirr, auf dem die Gäste künftig speisen werden, stammt aus der „Villa Junghans“, die bekanntlich seit Ende 2022 ihren Gastrobetrieb geschlossen hat.

Zur Anlage gehören auch zwei Tunnel. Der eine führt vom unteren Eingang zum Aufzug, der in die oberen Stockwerke führt. Der andere verbindet das Anwesen mit dem benachbarten ehemaligen Personalwohnheim. Weil dort die Heizungsanlage für Gut Berneck untergebracht ist, hat die Immobilienverwaltung Geißhalde mittlerweile auch dieses Gebäude erworben.

Die Uhrenfabrik Junghans will das Gebäude künftig für Geschäftspartner und Firmenevents nutzen. Aber auch Privatpersonen oder andere Unternehmen können die Räumlichkeiten mieten. Dafür stehen neun Suiten bereit.

40-Tonner bringen Möbel aus der Schweiz

Wie richtet man solche historischen Räume passend ein? Da war der Schramberger Unternehmer zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Das Hotel Savoy (Baur en Ville) in Zürich wechselte den Besitzer, und Hans-Jochem Steim konnte die Möblierung für sein Projekt sichern. Mehrere 40-Tonner-Lastwagen brachten Betten, Nachttische, Stühle, Tische, Kommoden und Schränke über die Grenze. „Der bürokratische Aufwand am Zoll war immens.“ Ein Teil der Fahrzeuge kämpfte sich die Weihergasse hoch, andere fuhren nach Achern, wo Hans-Jochem Steim ebenfalls ein Hotel besitzt.

Aber all dies war wahrscheinlich nichts gegen die Energie, die der 80-Jährige in die Ausstellung von selbstspielenden Musikinstrumenten steckt. Diese machen maßgeblich den Charme der Einrichtung aus. Der überwiegende Teil davon stammt von einem Sammler aus Leinfelden-Echterdingen. Wie viele haben im Gut Berneck ein neues Zuhause gefunden? „Zählen Sie selbst“, fordert der Hausherr auf – die Strichliste zeigt weit mehr als 20.

Interesse auch seitens Politik und Wirtschaft groß

Und seit wann sammeln Sie diese seltenen Instrumente? „Ich sammle sie eigentlich gar nicht“, stellt Hans-Jochem Steim fest. Er habe sich für eine Uhrensammlung fürs Terrassenbau-Museum interessiert und in diesem Zusammenhang seien ihm dann die ersten selbstspielenden Instrumente angeboten worden. „Ich fand Gefallen daran, und auf einmal war ich in der Szene drin.“ So gut, dass bei der offiziellen Eröffnung des Guts Berneck am Sonntag, 10. September (nur für geladene Gäste), neben zahlreichen Vertretern aus der Landes- und Bundespolitik sowie der Wirtschaft auch der Präsident des Vereins „Gesellschaft für Selbstspielende Musikinstrumente“ anwesend sein wird.

Ein „Kulturdenkmal im Denkmal“ ist die Schiedmayer Scheola Orgel aus dem Jahr 1920. Sie ist im Eingangsbereich aufgebaut und aufgrund ihrer „besonderen Bedeutung“ im Denkmalbuch des Landes eingetragen. Zwei Orgelbauer haben Wochen mit dem Aufbau verbracht, bis die ersten Töne aus den 600 Pfeifen zu hören waren.

Übrigens: Einen barrierefreien Zugang hat der Hausherr ebenfalls anlegen lassen – für seine Gäste und „vielleicht für den einen oder anderen Flügel. Man weiß ja nie...“

Bewohner und Geschichte

1910/11:
Erbauer Arthur Junghans (1853 bis 1920) mit seiner Familie.

1920:
Nach seinem Tod der älteste Sohn Erwin, gestorben 1944, und seine Frau Helene, gestorben 1952.

1944:
Gut Berneck wechselt von den Arthur-Junghans-Erben an die Firma Gebr. Junghans A.G.

1946:
Gut Berneck wechselt an die Stadt, um als „Junghans Krankenhaus“ genutzt zu werden.

1965:
Das neue Krankenhaus wird im Park von Gut Berneck erbaut.

1982:
Die Trägerschaft des Krankenhauses einschließlich Personalwohnheim und Junghans-Villa wechselt von der Stadt Schramberg an den Landkreis.

2011:
Das Krankenhaus wird geschlossen.

2012:
Die Stadt Schramberg übernimmt die Liegenschaft mit Krankenhaus, angrenzendem Personalwohnheim und Junghans-Villa sowie den noch verbliebenem Park von den Helios Kliniken.

2016:
Die Immobilienverwaltung Geißhalde GbR der Familie Dr.-Ing. Hans-Jochem Steim kauft das Gut Berneck.

Das Buch:
„Gut Berneck – Das Wohnhaus des Arthur Junghans in Schramberg“, Herausgeber Thomas Poller, umfasst 368 Seiten und 433 Abbildungen. Es ist bei der Immobilienverwaltung Geißhalde GbR, Geißhaldenstraße 49, 78713 Schramberg, www.gut-berneck.de, zu beziehen (keine ISBN-Nummer). Preis: 118,50 Euro.