Kämpfer der „Gruppe Wagner“ in der Ukraine (Archivbild). Foto: Imago/SNA/Viktor Antonyuk

Ein Mann aus Sambia, der zum Studium nach Moskau kam, stirbt an der russischen Front in der Ukraine. Seine Familie will nun herausfinden, wie er in den Krieg geriet.

Edwin Nyirenda wollte seinen Augen nicht trauen. Vor wenigen Tagen erreichte den Sambier eine Nachricht aus Moskau, wonach sein 23-jähriger Sohn Lemekhani an der russischen Front in Ukraine gefallen sei. Dass Lemekhani in der russischen Armee gekämpft hatte, war seinem Vater genauso wenig bekannt wie der Absender der Todesnachricht. Der Sohn habe ein Testament hinterlassen, hieß es darin: Edwin solle zur Entgegennahme des Leichnams so schnell wie möglich nach Russland kommen.

Lemekhani war am Institut für Nuklearforschung (MEPI) in Moskau eingeschrieben. Der begabte Student hatte ein Stipendium der Regierung des Staats im südlichen Afrika erhalten. Die erste Schocknachricht hatte seine Familie bereits im April vor zwei Jahren erreicht, als sie erfahren musste, dass Lemekhani wegen angeblichen Rauschgiftbesitzes im Tyer-Gefängnis in einem Moskauer Vorort saß. Der Schilderung seines Vaters zufolge hatte sich Lemekhani noch ein Zubrot als Kurier verdient. Dabei habe die Polizei ein Päckchen mit Rauschgift bei ihm sichergestellt, dessen Absender der Student nicht zuordnen konnte. Das Urteil: neuneinhalb Jahre Haft.

Indizien deuten zu einer berüchtigten Söldnergruppe

Alles Weitere sind bislang nur vage Indizien. Anfang September versuchte Russlands Präsident Wladimir Putin, seinen ausbleibenden Erfolg an der Front durch eine Teilmobilmachung wettzumachen: Hunderttausende Reservisten wurden in die Armee eingezogen. Jewgeni Prigoschin, der Finanzier der berüchtigten Söldnertruppe Wagner, soll sich in mehrere Gefängnisse des Landes begeben haben, um Häftlingen Straffreiheit zuzusprechen, die sich der Armee anschlossen. „Ich kann euch lebend aus dem Gefängnis – aber nicht unbedingt auch lebend nach Hause bringen“, ist Prigoschin auf einem heimlich aufgenommenen Video zu hören. Vermutlich hat Lemekhani Nyirenda das Angebot von „Putins Koch“ angenommen. Das Nächste, was man von dem Studenten der Nukleartechnik weiß, ist, dass er bereits im September an der Front in der Ukraine starb. Bis die Nachricht von seinem Tod schließlich zu seinen Eltern gelangte, vergingen mehr als sechs Wochen.

Wie in zahlreichen anderen Staaten der Welt können auch nichtrussische Staatsbürger der russischen Armee beitreten. Die Soldaten der Fremdenlegion sind nicht unbedingt Franzosen, und die „Gurkhas“ der britischen Streitkräfte stammen mehrheitlich aus Nepal. Selbst die Bundeswehr will sich für nicht deutsche Europäer in Berufssparten öffnen, die schwer zu besetzen sind, zum Beispiel Ärzte. Auch in der ukrainischen Armee kämpfen dem Vernehmen nach zahlreiche ausländische Staatsbürger mit. Ob sich außer Lemekhani noch andere Afrikaner mehr oder weniger freiwillig der russischen Armee anschlossen, ist indessen nicht bekannt.

Sambias Außenminister fordert Aufklärung

Genauso wenig weiß man bislang über die genauen Umstände des Todes des sambischen Studenten. Sambias Außenminister Stanley Kakubo äußerte sich am Montag in der Hauptstadt Lusaka vor der Presse „tief betrübt“ über das Schicksal des 23-Jährigen: „Ich stehe mit der Familie in ständigem persönlichem Kontakt.“ Der Minister forderte Moskau auf, mehr Licht in die Umstände des Todes Lemekhanis zu bringen. Sein Leichnam soll inzwischen in die südrussische Stadt Rostow am Don überführt worden sein. Von dort will ihn sein Vater so schnell wie möglich nach Hause holen.