Rüdiger Safranski macht fit für das Gedenkjahr: In seiner Kafka-Monografie legt er einen Universalschlüssel vor, mit dem man mühelos durch die rätselhaften Zonen dieses Werks spazieren kann. Doch dabei bleibt manches auf der Strecke.
Es gibt Jubiläen, die können zum Anlass werden, etwas Vergessenes in Erinnerung zu bringen. Bei Franz Kafka liegt die Sache anders. Seit seinem Tod am 3. Juni 1924 ist das Gegenteil von Vergessen eingetreten. Kaum wurde sein eigener Versuch, sich durch die Vernichtung eines Großteils seines Schreibens zum Verschwinden zu bringen, von seinem Nachlassverwalter Max Brod vereitelt, hat ein beispielloser Erinnerungsprozess eingesetzt, der jede noch so verborgene Falte seines Werk und Lebens in gleißendes Licht gesetzt hat. Schon dreißig Jahre nach Kafkas Tod notierte Th. W. Adorno, das Behagen am Unbehaglichen habe ihn zum Auskunftsbüro der je nachdem ewigen oder heutigen Situation des Menschen erniedrigt.