Im Kreis Rottweil ermittelt die Polizei gegen einen 60-Jährigen, der zwei minderjährige Mädchen missbraucht haben soll. Foto: sb

Kreis Rottweil - Ein ehemaliges führendes Mitglied der Zeugen Jehovas im Kreis Rottweil soll zwei minderjährige Mädchen sexuell missbraucht haben. Der Mann saß bereits in Untersuchungshaft

Kreis Rottweil - Der schwere Vorwurf, zwei minderjährige Mädchen sexuell missbraucht zu haben, wird gegen ein ehemaliges führendes Mitglied der Zeugen Jehovas im Kreis Rottweil erhoben.

Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil, Frank Grundke, erklärte, liegt derzeit ein Verfahren an, in dem gegen den betreffenden, knapp über 60-jährigen Mann wegen Missbrauchs von zwei Mädchen, derzeit 18 und 16 Jahre alt, ermittelt wird.

Der Beschuldigte sei vor Weihnachten festgenommen worden und habe bis Anfang Februar in Untersuchungshaft gesessen. Das Amtsgericht habe den dringenden Tatverdacht zwar bestätigt, aber auch die vorläufige Freilassung des Mannes angeordnet, weil aus Sicht des Gerichts die Fluchtgefahr als sehr gering einzustufen sei.

Drastische Schilderungen des Missbrauchs in Internet-Chatrooms

"Der Haftbefehl besteht allerdings weiter. Ich gehe davon aus, dass wir von der Seite der Staatsanwaltschaft im Frühjahr dieses Verfahren abschließen können", betonte Grundke.

Ins Rollen gebracht hat das Verfahren im vergangenen November ein junger Mann, der über die Religionsgemeinschaft mit den betroffenen Mädchen befreundet ist. Als er von dem Missbrauchsvorwurf erfuhr und durch einen Freund auch noch mitbekam, dass es sogar Hinweise auf den Missbrauch und entsprechende drastische Schilderungen in Internet-Chatrooms gibt, war er regelrecht geschockt.

Danach soll der mutmaßliche Täter, beispielsweise nach gemeinsamen Missionsgängen mit einem der Mädchen, dieses in einem Waldstück zu sexuellen Handlungen genötigt haben.

Darf nicht unter den Teppich gekehrt werden

Der junge Mann kennt nun nicht nur die Opfer, sondern auch den Beschuldigten gut. Für ihn war von Anfang an klar, dass dieser Missbrauch angezeigt werden muss und nicht unter den Teppich gekehrt werden darf. Besonders erschüttert hat ihn, dass ausgerechnet ein Mann, der jahrelang in seiner Funktion innerhalb der Glaubensgemeinschaft den Menschen gepredigt habe, solche Vergehen zu unterlassen, dann selbst Mädchen sexuell missbraucht habe.

Wie aus internen Kreisen der Glaubensgemeinschaft zu erfahren war, war der Beschuldigte als so genannter Organisator von Ältesten in einer Region des Kreises tätig und kam in dieser Funktion auch bei den Versammlungen der Zeugen Jehovas in Kontakt mit den beiden Mädchen.

Die regionale Organisation der Zeugen Jehovas soll nach dem Bekanntwerden des Vorfalls eine interne, nicht öffentliche, "theokratische" Lösung ohne Anzeige bei der Polizei beziehungsweise der Staatsanwaltschaft angestrebt haben: Gott werde den Täter schon strafen.

Beschuldigter wurde festgenommen und saß in Untersuchungshaft

Der Beschuldigte, der seit vielen Jahren führende Positionen bei den Zeugen Jehovas begleitet, sei von sämtlichen Ämtern enthoben und aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen worden – mehr aber nicht.

Wie Wolfgang Fahlpahl, Familienreferent der Zeugen Jehovas in Deutschland, auf Anfrage bestätigte, dürfe der Beschuldigte "nach einem solch abscheulichen Verbrechen" kein geistliches Amt mehr ausüben und sei auch kein Zeuge Jehovas mehr.

Der Ausschluss aus der Relegionsgemeinschaft und die Enthebung von seinen Ämtern sei Sache des örtlichen Rechtskomitees. Besonders wichtig ist für Fahlpahl, dass nicht nur die Opfer, sondern generell die Kinder von Mitgliedern vor dem Mann geschützt werden.

"Die Eltern werden darüber informiert, dass jeglicher Kontakt zu dem Mann abgebrochen werden sollte. Zudem bieten wir den Betroffenen seelsorgerischen Beistand an." Der Familienreferent geht davon aus, dass der Ausschluss lebenslang gelten wird, vor allem wenn es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen sollte. Von Peter Wolf

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