Fußball-EM: Franzosen und Frankreichliebhaber aus Rottweil fiebern dem Halbfinale entgegen

Von Sandra Röseler

Ein Duell mit Tradition und gleichzeitig eine Premiere: Heute Abend treffen Deutschland und Frankreich zum ersten Mal bei einer Europameisterschaft aufeinander. Und das im Halbfinale. Rottweils Frankreich-Fans freuen sich auf die Begegnung.

Rottweil. "Heute wird es eine Revanche geben", hofft Yves, der Besitzer der Rottweiler Bar "Act’Yves". Um 21 Uhr trifft die deutsche Nationalmannschaft in Marseille auf die französischen Gastgeber, die zuletzt Island, den Sieger der Herzen, aus dem Turnier kickten.

In Sachen Anfeuerung haben die Isländer am Sonntag aber klar gewonnen, das weiß auch Yves. "Wir singen hauptsächlich die Marseillaise, das ist Standard", erklärt er. In seiner Bar zeigt der gebürtige Franzose alle Begegnungen der EM, Deutschland- und Frankreichspiele auch draußen im Kappellenhof.

Vom Viertelfinalspiel der Deutschen gegen Italien hat er nur die letzten beiden Elfmeter mitbekommen – zu viel Andrang herrschte in seiner Kneipe. "Das war schon ein Krimi", sagt er.

Ob es heute Abend ähnlich spannend wird, kann er nicht einschätzen. "Deutschland hat eine gute Mannschaft – aber nicht so gut wie vor zwei Jahren", meint der Fußball-Fan. Die Franzosen haben seiner Meinung nach weniger Erfahrung und Schwächen in der zentralen Defensive. Einen klaren Favoriten hat Yves nicht, er freut sich für beide Mannschaften, auch wenn sein Herz etwas stärker für sein Heimatland schlägt. "Aber egal wer gewinnt, ich gewinne trotzdem" sagt er. Auf jeden Fall wird nach Abpfiff des Spiels erst einmal angestoßen. "Viele trinken nach einem Spiel Pastis – einen französischen Anis-Schnaps. Mir persönlich ist aber ein klassisches Bier lieber."

Yves’ Landmann Christophe Croquard aus Zimmern teilt die Vorliebe für Bier zum Anstoßen. Heute braucht er am besten einen ganzen Kasten, um damit hoffentlich auch einen Sieg bei den Boulemeisterschaften feiern zu können. Seine Glücksbringer hat der gebürtige Franzose auf jeden Fall dabei.

"Ich trage bei jedem Fußballpiel mein Trikot und meine Mütze", erzählt er. Er hofft, dass er damit der französischen Mannschaft zu einem 2:1 Erfolg über Deutschland verhelfen kann. "Seit 1958 konnten wir die Deutschen bei der WM nicht schlagen", erinnert er sich. Für einen Sieg im ersten Aufeinandertreffen bei einer EM sei es also höchste Zeit.

Martine Bauknecht wird morgen wahrscheinlich nicht dazu kommen, das Spiel zu sehen. Sie betreibt den "Bären" in Deißlingen. Ihre Familie feuert die französische Mannschaft aber auf jeden Fall an.

"Beim Italienspiel war meine ganze Familie für Deutschland, aber heute feiern wir natürlich mit Frankreich", erzählt sie. "Deutschland hat zwar eine starke Mannschaft aber viele verletzungsbedingte Ausfälle, das ist die Chance für die Franzosen." Eines steht zumindest schon fest: Auf einen Sieg der Franzosen stoßen die Bauknechts auf jeden Fall klassisch mit Champagner an. Und falls Deutschland gewinnen sollte, ist das auch nicht schlimm. "Meine Söhne haben die doppelte Staatsbürgerschaft, wir haben immer Grund zu feiern."

Auch Gerhard Mantel, Präsident des Rottweiler Freundeskreises Hyères, sieht dem Spiel mit Spannung entgegen. Seit 1971 besteht die Städtepartnerschaft zwischen der südfranzösischen Hafenstadt und Rottweil. "Natürlich wollen sich die Franzosen für die Weltmeisterschaft revanchieren", sagt er. 2014 hatte die Deutsche Nationalmannschaft "Les Bleus" im Viertelfinale mit 1:0 besiegt. Damals waren die Mitglieder der Freundeskreise schon im regen Austausch.

"Wir haben uns immer wieder SMS geschrieben", erinnert sich Mantel. Natürlich waren die Franzosen nach ihrem Ausscheiden enttäuscht, das hat der Freundschaft der beiden Städte jedoch keinen Abbruch getan.

Dass das französische Team Deutschland heute besiegen könnte, kann Mantel sich nicht vorstellen. "Aber wenn Sie mich vor zwei Jahren gefragt hätten, hätte ich auch nie gedacht, dass Deutschland Weltmeister wird."

Einer mögliche Niederlage Deutschlands sieht er aber gelassen entgegen. "Meine Tochter lebt in Frankreich, einer freut sich da immer, egal wer gewinnt." Mit seinen französischen Freunden will Gerhard Mantel auf jeden Fall auch wieder Kontakt aufnehmen.

"Man muss sich ja im Voraus schon für ihr Ausscheiden entschuldigen", lacht er. "Wir werden aber sicherlich auch während des Spiels wieder SMS schreiben."