Beste Resonanz fand in Aichhalden der Diskussionsabend zum Thema Wolf in heimischer Landschaft. Fotos: Ziechaus Foto: Schwarzwälder Bote

Diskussion: Abend in Aichhalden findet große Resonanz / Bei weitem nicht nur Tierhalter elektrisiert das polarisierende Thema

"Wir brauchen den Wolf nicht, aber wir wollen alles über ihn wissen", so der Tenor bei einem Abend in der Josef-Merz-Halle in Aichhalden zum Auftauchen von Tieren im süddeutschen Raum.

Kreis Rottweil (czh). Die bis auf den letzten Platz besetzte großen Halle zeigte, dass das Thema neben Tierhaltern auch vielen anderen Menschen auf den Nägeln brenne. Dass nach über 100 Jahren ein ausgerottetes Tier wieder zurückkehrt, führe zu ganz unterschiedlichen Reaktionen, eröffnete der Aichhaldener Bürgermeister Michael Lehrer als Moderator eine dreieinhalbstündige intensive Diskussion.

Landschaftsentwicklungsverband (LEV) und Landesschafzuchtverband hatten zusammen mit Schäfer Theo Lehmann eine große Runde mit Fachleuten aus Landwirtschaft, Naturschutz, Tourismus und Politik eingeladen zum Thema "Weidetierhaltung und Wolf – geht das?"

"Existenzen sind bedroht"

LEV-Geschäftsführerin Kim Ebinger stellte die Bedeutung von Weidetierhaltung in offener Landschaft mit großer Artenvielfalt vor. Nur durch eine landwirtschaftliche Nutzung sei gemäß dem Motto, "geht der Bauer, kommt der Wald" die gute Abwechslung von Wiesen und Wald zu erhalten. Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg (FVA) lieferte Fakten zum Verhalten von Wölfen und ihrer aktuellen Verbreitung in Deutschland.

Seit 2014 habe sich die Anzahl von Wolfsrudeln (Elternpaar und etwa sechs Jährlinge) von 30 auf 60 verdoppelt; dazu kämen 13 Paare und einzelne Tiere, die überwiegend in nördlichen Bundesländern lebten. Der erste nachgewiesene Wolf sei 2011 bei Gießen aufgetaucht und ein Jahr später dort erschossen worden. Seither gebe es einige Totfunde und ganz aktuell zwei Einzeltiere um Heilbronn und Stuttgart. Wölfe brauchten keine Wildnis, aber ein großes Streifgebiet, in dem sie jagten, was leicht zu erbeuten sei. "Der Wolf geht uns alle an", sagt Anette Wohlfahrt vom Landesschafzuchtverband, wenn sie auf eine starke Existenzbedrohung von Weidetierhaltern verweist.

Nicht allein gerissene Tiere brächten Ungemach, auch die Frage der Haftung, wenn bedrohte Schafe ausbrechen und einen Unfall verursachen würden, treibe die Tierbesitzer um. Versicherungen zahlten nur, wenn der Mindestschutz nachgewiesen werde: ein Elektrozaun von 1,20 Metern Höhe mit fünf Strom führenden Litzen und Herdenschutzhunde. Versuche hätten gezeigt, dass diese Anforderungen in Steillagen und in dichter Besiedlung im Schwarzwald nicht zu erfüllen seien. Trotz eines guten Herdenschutzes werde in Sachsen eine steigende Anzahl von Angriffen verzeichnet. Die Weidetierhaltung sei so in ihrer Existenz bedroht, die Anzahl von Schafen stark rückläufig. Herdenschutz müsse funktionieren, das Haftungsrisiko dürfe nicht beim Tierhalter bleiben, und reißende Wölfe müssten aus der Landschaft herausgenommen werden. Die Rückkehr einer Art dürfe die große Artenvielfalt nicht gefährden, stellt Anette Wohlfahrt deutlich fest. Die Landtagsabgeordnete der Grünen aus Furtwangen, Martina Braun, versichert, "wir sind mit Hochdruck dran an der Klärung der Haftungsfrage". Auch das Landwirtschaftsministerium fordere, reißende Wölfe "zu entnehmen". Ihre Landtagsfraktion fördere weitere Versuche mit Zaunvarianten und Schutzhunden erneut mit 300 000 Euro, betont die Grüne.

Kreisjägermeister Ottmar Rietmüller ist nicht erfreut über die "drei großen S schützen, schießen, schweigen". Die Jäger wollten aber klare Entscheidungen, wie mit Wölfen umzugehen sei. "Wir brauchen den Wolf nicht", stellt Manfred Haas klar; der Vorsitzende des Kreisbauernverbands sieht eine starke Gefährdung der Weidetierhaltung, Das betreffe nicht nur Schafe und Ziegen, sondern auch die Rinder.

Für den BUND indes gehören Wolf und Luchs auch in unseren Gefilden in die Natur, setzt Geschäftsführerin Katharina Baudis auf ein Miteinander, das zu positiven Ergebnissen führt. Deshalb müsse die Politik schnell reagieren und die Haftungsfrage klären. Naturparkwirt Jürgen Lauble vom Fohrenbühl erwartet keine Probleme mit einzelnen Tieren, aber die offene Landschaft müsse erhalten bleiben.

Tierhalter Gerold Wein bezeichnet den Aufbau eines Zauns mit fünf Elektrolitzen als überaus teuer und aufwendig und für den Landschaftsschutz in Steillagen kaum zu schaffen. Ein Tierhalter ließ süffisant wissen, er ersetze seine Schafe durch Bienen, da diese wegfliegen könnten. Ein Jagdpächter sieht Deutschland als Versuchslabor für Wölfe mit Menschen als Versuchobjekten. In Finnland lebten etwa 250 Wölfe, deren Bestand durch jährlichen Abschuss von zehn Prozent in Grenzen gehalten werde. Trotz hohem finanziellem Einsatz in der Schweiz sei im Wallis die Almwirtschaft stark gefährdet, mahnte ein Rinderzüchter, es gebe keinen absoluten Schutz vor Wölfen.