Smartphone und Facebook gehören für viele inzwischen zum Alltag dazu. Foto: Warnecke/Bienger

Nicht alle Jugendliche kennen die Risiken der neuen Medien. Aufklärungsbedarf vor allem bei jüngeren Schülern.

Rottweil - Internet, Smartphone, soziale Netzwerke: Digitale Medien sind aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Doch die Vielfalt im Netz macht nicht nur Spaß, sie birgt auch viele Gefahren. Wie geht eine Generation, die ein Leben ohne Facebook und Co. nicht mehr kennt, damit um?

Sie posten Bilder und Videos von sich ins Netz, sammeln Freunde und teilen der digitalen Gemeinde teils stündlich ihren Aufenthaltsort und Status mit: Besonders junge Leute nutzen das Internet und soziale Netzwerke gerne als Plattform zur Selbstdarstellung. Die Risiken, die damit einhergehen, werden häufig ignoriert oder verdrängt. Datenklau für Werbung, Cybermobbing, Kriminalität und auch, das zeigt der aktuelle NSA-Skandal, Überwachung durch Geheimdienste sind an der Tagesordnung. Die Bundesregierung und die EU wollen deshalb jetzt sogar den Datenverkehr auf Europa begrenzen, um die Sicherheit im Netz zu erhöhen.

Ein Leben ohne Internet? Unvorstellbar!

Für junge Leute bedeuten die vielen Möglichkeiten im Internet vor allem eines: Spaß. Die Mehrheit der Jugendlichen kennt noch nicht einmal eine Welt ohne Internet und Co., die digitalen Medien wurden ihr sprichwörtlich in die Wiege gelegt.

So ist das auch bei einem Großteil der 9B am Rottweiler Leibniz-Gymnasium. 22 der 25 Schüler zwischen 14 und 16 Jahren haben ein Smartphone, die meisten, seit sie 13 oder 14 Jahre alt sind. Die Mehrheit von ihnen nutzt es vorwiegend zum Chatten mit Freunden über WhatsApp, einen kostenlosen Nachrichtendienst. Ann-Kristin Aust etwa verbringt schon mal zwei Stunden am Tag mit Chatten, und Alissa Hartung gibt zu: "Meine Mutter hat es mir schon einmal weggenommen, als ich mich ihrer Meinung nach zu lange damit beschäftigt habe."

Viele Schüler nutzen die Chatfunktion, um auf dem Laufenden zu sein, was ihre Freunde so treiben. Auf Facebook etwa wird gechattet und gepostet, was das Zeug hält – aber nicht jeder Schüler nutzt das soziale Netzwerk gleich intensiv. Die meisten haben zwar einen Account, aber, und das klingt in der Klasse deutlich durch, eben auch viele Eltern und Lehrer, die auch schon mal Freundschaftsanfragen verschicken. Alissa erzählt: "Meine Eltern sind beide bei Facebook, und meine Mutter schaut oft, was ich so mache. Ist sie dann nicht damit einverstanden, dass bestimmte Bilder von mir online sind – zum Beispiel Partyfotos – dann muss ich diese löschen."

Viele Schüler der 9B sind jedoch – was dann doch überrascht – von sich aus bei der Preisgabe persönlicher Daten und Bilder zurückhaltend. Wohnort, Geburtsdatum, nur manchmal der vollständige Name werden angegeben; zudem machen viele ihr Profil nur für Freunde sichtbar. "Es ist wichtig, nicht alles über sich zu verraten", sagt etwa Sophia Pichler. "Ich selbst finde es komisch, wenn andere alles Mögliche posten." Das ist nicht nur komisch, es kann ins Auge gehen. Wie bei einem Bekannten von Maximilian Fuchs: "Ein Freund von mir hatte einige verrückte Partybilder bei Facebook hochgeladen. Als er sich auf eine Stelle bewarb, sah sich der Chef der Firma sein Profil an. Er hat die Stelle nicht bekommen."

Und wie sieht es mit dem "Sammeln" von Freunden aus? Richard Kischenko gibt zu: "Ich habe etwa 600 Facebook-Freunde." Auf die Frage, ob er die alle persönlich kenne, gibt er zu, da nicht so wählerisch zu sein: "Manche kenne ich gar nicht, die haben mir irgendwann eine Freundschaftsanfrage geschickt, und da hab ich sie halt bestätigt", sagt der 16-Jährige. Sophia kennt das Problem, sie selbst ist vorsichtiger: "Einmal hat mir jemand aus Italien geschrieben. Den kannte ich gar nicht, ich habe ihn ignoriert." Vorbildlich – schließlich verwenden auch Kriminelle nachweislich auf diese Weise Facebook, um sich Infos über potenzielle Opfer zu besorgen.

Einige Schüler nutzen das soziale Netzwerk daher nur sporadisch. Vielen geht das ständige Sich-bemerkbar-Machen der Facebook-Süchtigen zudem gehörig auf den Keks, so etwa Ann-Kristin, wenn einige ihrer Freunde ständig Sätze verschicken, die sie dann "liken" soll, oder wenn andere alle zehn Minuten der ganzen Welt mitteilen müssen, was sie gerade essen oder wo sie gerade sind. Adrian Flaig geht deshalb fast meistens nur auf Facebook, um sich die neuesten Nachrichten über seine Lieblings-Mannschaften anzuschauen, und Viola teilt mit ihren Freunden Urlaubsbilder – allerdings nur intern, wie sie sagt.

Man mag es kaum glauben, aber selbst in der Neue-Medien-Generation gibt es einige, die Facebook und Co. fast gänzlich kalt lassen. Lena Sigel etwa hat überhaupt kein Smartphone und sitzt eher selten vor dem Computer. "Wir haben Zuhause nicht einmal einen Fernseher", sagt die 15-Jährige. "Ich spiele ohnehin lieber Fußball."

Obwohl viele der Neuner offenbar verantwortungsvoll mit den neuen Medien umgehen, gilt das längst nicht für alle Schüler. "Besonders die Jüngeren sind oft noch nicht in der Lage, die Risiken hinter dem Spaß zu erkennen", sagt Jürgen Gräber, der am Leibniz-Gymnasium nicht nur Mathematik und Physik unterrichtet, sondern zusammen mit drei Kollegen auch als schulinterner Multimedia-Berater tätig ist. Im Rahmen eines Mediencurriculums, das die Klassen fünf bis acht einschließt, werden Schüler für die Gefahren im Internet und besonders in sozialen Netzwerken sensibilisiert. Auf dem Programm stehen dann Module wie "Selbstdarstellung im Web 2.0 – Ich poste, also bin ich" in Klasse sechs oder Urheberrecht in Klasse sieben. "Uns ist es wichtig, im Hinblick auf moderne Problematiken wie Cybermobbing oder Datenklau präventiv tätig zu werden, und zwar kontinuierlich", betont Gräber.

Ob das Konzept fruchtet, wird sich erst noch zeigen: Das Mediencurriculum gibt es erst seit zwei Jahren. Doch schon jetzt ist klar: Die kommenden Generationen werden nicht mit weniger, sondern mehr Internet groß werden. Umso wichtiger ist es, sie auf die zahlreichen Gefahren hinzuweisen, die bei allen Vorzügen und Spaß im Netz lauern.