Damir Manojlovic und das "Lehre" sind seit 14 Jahren eine Einheit. Doch es gibt auch jenseits von "Corona" Dinge, die ins Gemüt piksen. Foto: Pfannes Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: Beruf Gastronom / Blick hinter die Theke und ins Gefühlsleben

Dürfen Gastronome Urlaub machen? Ja. Dürfen sie es sogar während "Corona" und ohne schlechtes Gewissen? Hier fällt die Antwort schwerer. Nicht für Kleingastronome, aber für manche Stammgäste von ihnen.

Rottweil. Zugegeben. Dies ist eine spezielle Sorge. Aber es ist ein Themenfeld, das in diesen Wochen genauso in anderen Branchen aufs Tapet kommt. Und zwar mit Blick auf die Corona-Pandemie, das Herunterfahren des öffentlichen Lebens gegen Null – in der Gastronomie waren es ziemlich genau zwei Monate von Mitte März bis Mitte Mai – und die Sommerferienzeit.

Welche Antworten bieten sich an. Zum einen ganz lapidar: das Gesetz. Angestellte wie Koch oder Servicekraft haben Anspruch auf Urlaub. Bei Selbständigen sieht es anders aus. Dennoch. Und hier kommt Damir Manojlovic, seit 2006 Pächter des "Lehre" in der Rottweiler Waldtorstraße, ins Spiel. Und sein Empfinden, das nur bedingt mit "Corona" in Verbindung steht.

Rock’n’Roll im Schwarzwald

Geboren 1975 in Jugoslawien, floh er im September 1992 mit 17 Jahren vor dem Krieg in Bosnien zu Verwandten in die Schweiz und kam über Österreich nach Bremen. Er lernte den Beruf eines Restaurantfachmanns.

Der Weg in die Selbständigkeit begann mit einem Kollegen 2004 in Furtwangen ("eine große Brasserie, drei Köche, zwei Servicekräfte, sechs, sieben Aushilfen, keine Putzfrau, das war richtig Rock’n’Roll") – damals waren 20-Stunden-Arbeitstage keine Seltenheit – und führte ihn zwei Jahre später nach Rottweil ins "Lehre".

Seit 2009 ist er hier alleiniger Chef, die berufliche Partnerschaft endete damals. Im Laufe der Jahre haben sich jedoch die Zeiten geändert. Sieben Tage die Woche nahezu durchgängig geöffnet, ist Teil einer anderen Epoche.

Das hat zum einen mit veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen zu tun und mit der Schwierigkeit, Koch und Servicekräfte zu finden. Er hat seit sechs Jahren eine männliche Perle hinter dem Herd, aber Servicekräfte und Aushilfen schwinden. Letztere, derzeit noch zwei, sind seit zwei Wochen nicht verfügbar. So bedient er (und aushilfsweise seine Tochter) die Gäste. Hat der Koch Urlaub, steht der Chef in der Küche.

Nun kommt es, dass Damir Manojlovic das erste Mal seit Jahren Urlaub macht und das "Lehre" vom 9. bis 16. August schließt.

Warum nur?

Eigentlich nicht der Rede wert. Doch er bekommt seit einigen Jahren das Gefühl vermittelt, sich rechtfertigen zu müssen, wenn er einmal nicht im "Lehre" anzutreffen ist. Und zwar von einigen wenigen Stammgästen. Das drückt auf die Stimmung und verdunkelt die Vorfreude auf freie Tage ohne Verpflichtungen. Dieses Denken und Aussprechen versteht er nicht.

Damir Manojlovic liebt seinen Beruf und das "Lehre". Für ihn ist es Luxus, an seinem freien Tag allein im Gastraum zu sitzen, einen Espresso zu trinken und Zeitung zu lesen, ohne Zwang jedweder Art. Er macht sich viele Gedanken, feilt an Verbesserungen und die mögliche Resonanz auf sie. Er jammert nicht, obwohl es immer wieder eine Herausforderung sein kann, einen Dienstplan, selbst mit wenig Personal, aufzustellen, der nicht gleich wieder über den Haufen geworfen werden muss. Im Gegenteil.

Er liebt die Selbständigkeit, das Selber-Entscheiden-Können, die Spontanität. Er empfindet weiterhin vor jedem "Auftritt" und vor allem vor jeder größeren Gesellschaft das gewisse Prickeln. Respekt vor jedem Tag, vor jeder Woche. Ein Zeichen der inneren Anspannung. Eine Hochzeitsfeier im "Lehre" sei wie das Endspiel der US-Open. Er fühlt Lampenfieber, beinahe wie ein Tennisprofi. Oder wie ein Schauspieler im Theater, bevor sich der Vorhang öffnet, scherzt er.

Zwei Monate im Frühjahr

Noch ein Wort zu Corona. Die zwei Monate im Frühjahr, die ihn und andere Gastronome zum Nichtstun verurteilt haben, waren eine harte Zeit. "Unsere Branche wurde schwer getroffen."

Immerhin: Seine Pacht wurde gestundet. Die Coronahilfe kam relativ schnell. Nun läuft es wieder. Gut, sagt er, aber beileibe nicht so wie vorher. Ein seriöses Fazit kann er erst am Jahresende ziehen. Nicht jeder Monat lasse sich mit dem gleichen Monat des vergangenen Jahres vergleichen. Entscheidend werden Herbst und Winter sein. Wie sich in der kälteren Jahreszeit die Lage mit dem Virus entwickelt.

Und noch ein Wort zu Corona. Der 18. Mai, der Tag des Wiederöffnens. Es sei verheerend gewesen. Ruhig. Gerade als er abends schließen wollte, kamen jedoch noch sechs Gäste. Er habe sich mit ihnen unterhalten – und Freunde gewonnen. Auch dies ist das Schöne an seinem Beruf.