In Rottweil beginnt ihre Reise (von links): Katja Basl, Sven Fiedler, Almuth Kolb und Silke Weßling. Mit dem Auto fahren sie bis zur ersten Etappe des Jakobswegs in St. Jean Pied de Port. Foto: Zelenjuk Foto: Schwarzwälder-Bote

Projekt: Sven Fiedler aus Rottweil kann nicht hören und nicht sehen – und erwandert jetzt den Jakobsweg

Die Geschichte von Sven Fiedler aus Rottweil ist eine, die inspiriert und Mut macht, an sich selbst und an seine Träume zu glauben. Sven Fiedler ist taubblind.

Rottweil. Er kann nichts sehen und nur mit Hilfe eines Hörgeräts ein wenig hören – und das nur an ganz stillen Orten, weil sonst alle Geräusche ungefiltert auf ihn einströmen. Trotzdem hat Sven Fiedler seinen Traum, den Jakobsweg in Spanien zu erwandern, nicht aufgegeben. Am Mittwoch hat seine spannende, aufregende, herausfordernde Reise begonnen.

Vor vielen Jahren, noch vor seiner Erblindung, hat er im Fernsehen einen Dokumentarfilm über den berühmten Pilgerweg gesehen. "Ich war damals ja schon schwerhörig und konnte den Beitrag nicht gut verfolgen. Ich war überzeugt, dass der Pilgerweg irgendwo in Amerika oder in Kanada liegt", erinnert sich Sven Fiedler. Die Bilder von der wunderschönen Landschaft und den unermüdlichen Wanderern haben sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Erst Jahre später erfuhr er, dass der Jakobsweg in Spanien liegt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Sven Fiedler bereits seinen zweiten Sinn, das Sehen, verloren. Resigniert musste er feststellen: "Jetzt bin ich taubblind. Jetzt kann ich es erst recht nicht machen."

Fast hätte er sich damit abgefunden, dass dieser Traum nie in Erfüllung gehen wird – bis ihn seine Taubblindassistentin Almuth Kolb ermutigte, es doch zu wagen. Sie war die erste, die ihm ihre Unterstützung zugesagt hatte. Das wirkte Wunder. Entschlossen machte sich Sven Fiedler an die Arbeit, um das besondere Projekt voranzutreiben. "Taubblindheit hält mich nicht auf", sagt der 49-Jährige, der 800 Kilometer bis nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakobus wandern will. Es ist ein mutiges, ehrgeiziges Projekt – und auch ein wichtiges Zeichen, eine Möglichkeit, auf das Thema Taubblindheit aufmerksam zu machen.

Zwei Jahre lang hat er sich vorbereitet

Zwei Jahre lang hat Sven Fiedler an der Realisierung des Jakobsweg-Projektes gearbeitet: Er hat recherchiert, Öffentlichkeitsarbeit betrieben, Assistenten und Sponsoren gesucht. "Manchmal war ich kurz vor dem Aufgeben, aber dann habe ich doch Kräfte gefunden, weiterzukämpfen", schildert er. Auch körperlich und mental musste er sich auf die große Pilgerreise vorbereiten, genauso wie seine Taubblindassistentinnen. Denn sie werden Sven Fiedler in Spanien abwechselnd begleiten, sie werden seine Augen sein. Bei mehreren Probewanderungen haben sie gemeinsam verschiedene Führtechniken ausprobiert. Schließlich ist das Wandern keine routinemäßige Assistenztätigkeit, es erfordert von beiden Seiten extrem viel Konzentration.

Sven Fiedler und seine Assistentinnen wissen: Sie alle werden auf dem Jakobsweg an ihre Grenzen gehen. Auch für das vierköpfige Kamera-Team von Conker Tree Film, das einen Dokumentarfilm über Svens Pilgerweg machen will, wird es ein extremer Dreh sein. Davon ist Susanne Bohlmann überzeugt. "Der Protagonist bewegt sich permanent, auch wir müssen uns mitbewegen", erklärt sie. "Wir filmen uns auch gegenseitig. Wir finden, dass unsere Erfahrung mit dazu gehört. Ich glaube, wir werden sehr erschöpft sein", sagt sie. Eine weitere Herausforderung ist, mit einem audiovisuellen Medium die Geschichte eines Menschen zu erzählen, der nicht sehen und nicht hören kann. "Um seine Fantasie zu visualisieren und zu zeigen, was in ihm vorgeht, werden wir verschiedene Techniken und Methoden anwenden", erklärt Bohlmann. "Eine Armlänge Welt" soll der Film heißen, zwei Teaser von den Trainingswanderungen gibt es bereits im Internet. Die Geschichte von Sven Fiedler finden die Filmemacher aus Köln sehr inspirierend. "Das muss man dokumentieren. Die Welt muss darüber erfahren", betont Bohlmann. "Im Film geht es nicht um den Reiseweg an sich, es geht um diese einmalige Perspektive, die Sven hat. Warum macht er es? Wie verändert sich seine Realität dadurch, dass er weiß: Er ist in Spanien und geht den Jakobsweg? Wenn das für ihn möglich ist, ist es für jeden von uns möglich? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt", erklärt sie. Auch beim Abschiedsfrühstück am Mittwoch laufen die Kameras. Sie dokumentieren, wie sich Sven Fiedler von seinen Freunden verabschiedet, wie er ein Geschenk von Bürgermeister Christian Ruf entgegennimmt, wie er seine Ansprache hält. "Träume ich? Nein, es ist die Wahrheit, es ist alles real. Hier beginnt die Reise nach Spanien", sagt Sven Fiedler. Aufgeregt sei er nicht, er freue sich auf die Abenteuer, die Begegnungen und auf die Herausforderungen.

Heute, am Freitag, beginnt für Sven Fiedler und seine Assistentinnen das Erwandern des Jakobswegs in St. Jean Pied de Port. Auf Facebook wird er unter www.facebook.com/SvenFiedlerRottweil über seinen Weg berichten. Die Teaser zum Film gibt es unter www.facebook.com/worldat-armslength, Aufzeichnungen aus der Vorbereitungszeit unter www.tbl-jakobsweg.de. Wer das Jakobsweg-Projekt 2017 unterstützen und spenden möchte, erhält per E-Mail an sven.fiedler@tbl-jakobsweg.de weitere Infos.