Rund eineinhalb Jahre hat es gedauert, nun legen die Handwerker in Rottweil letzte Hand an. Foto: Müller

Vorfreude auf ein kleines Wunder. Festakt mit viel Prominenz zur offiziellen Einweihung.  

Rottweil - Eine kleine Gemeinde erfüllt sich einen großen Traum. Nur noch wenige Tage, dann weiht die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen in Rottweil ihre neue Synagoge ein.

Rund eineinhalb Jahre hat es gedauert, nun legen die Handwerker in Rottweil letzte Hand an.

Das große Ereignis lenkt nicht nur die Aufmerksamkeit der jüdischen Gemeinden in ganz Deutschland auf die älteste Stadt Baden-Württembergs, sondern ruft auch die große Politik auf den Plan. Unter vielen anderen haben sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann, aber auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, als Gäste des Festakts angesagt.

Tatjana Malafy, Geschäftsführerin der Rottweiler Gemeinde und stellvertretende Vorsitzende des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRG) Baden, ist schon jetzt "von großer Freude" ergriffen. Sie ist einer der Motoren hinter dem Projekt. Noch muss die im wahren Wortsinn junge Gemeinde mit einer Etage im ehemaligen Postamt in der Rottweiler Innenstadt vorliebnehmen.

Eigentlich war das Ziel, die neue Synagoge schon vor rund vier Jahren zum zehnjährigen Bestehen der Rottweiler Gemeinde einzuweihen, aber es taten sich Hindernisse auf.

Die Stadt Rottweil unterstützte und verkaufte der Gemeinde ein Grundstück am Entreé zur historischen Innenstadt, am Nägelesgraben.

Das Vorhaben war aber ohne die finanzielle Unterstützung des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden nicht zu stemmen. Ausgerechnet in dieser entscheidenden Phase kam es in Baden-Baden zu finanziellen Unregelmäßigkeiten. Die Vorgänge mussten zunächst geklärt werden, bevor über Zuschüsse entschieden werden konnte. Das dauerte seine Zeit. Das Grundstück am Nägelesgraben lag weiterhin brach.

Religiöses und Sicherheit

Im August 2015 war es dann aber doch soweit, mit dem ersten Spatenstich fiel der Startschuss. Der Bau konnte beginnen. Sowohl israelitische Gemeinde und Oberrat, als auch Vertreter der Politik betonten bei dieser Gelegenheit die große Bedeutung des Synagogenbaus. Immerhin wurden nach Auskunft des Zentralrats der Juden seit dem Zweiten Weltkrieg gerade einmal sieben neue Synagogen und lediglich zwei sogenannte Betsäle in Baden-Württemberg eingeweiht.

Vieles gilt es beim Bau einer Synagoge zu beachten, religiöse Belange sind zu berücksichtigen, auch der Sicherheitsaspekt darf nicht vernachlässigt werden. Architekt Christof Birkel weist in diesem Zusammenhang auf die Anlage einer sogenannten "Mikwe" hin, dem rituellen Tauchbad. Und für den Sabbat wurde beispielsweise eine spezielle Schaltung der Lichtanlage notwendig.

Tatjana Malafy ist schon jetzt von dem neuen Bauwerk begeistert, obwohl alles in diesen Tagen noch nach Baustelle aussieht. Wenn sie die Synagoge betrete, lächelt sie, empfinde sie ein "Wow". Die Synagoge sei "hell und schön" geworden, einer jungen und aktiven Gemeinde angemessen. Nun empfinde sie ein "Gefühl von Freude und Glück". Immer wieder habe es Abstimmungsgespräche mit dem Oberrat gegeben. Besonders dessen Vorsitzender Rami Suliman habe den Bau zu seinem persönlichen Anliegen gemacht. "Er hilft uns überall und war immer da, wenn wir ihn brauchten", so Malafy. Auch die Stadt Rottweil habe viel geholfen. "Ich kann meinen Dank gar nicht aussprechen", betont sie. Am Ende sei fast alles umgesetzt worden, was sich die Gemeinde gewünscht habe.

Die Einweihung sei das größte Ereignis, dass sich für eine Gemeinde denken ließe. Die Arbeiten dafür seien aber weder für die Gemeinde noch für den Architekten immer bequem gewesen. "Architekten denken eben nicht jüdisch", schmunzelt Malafy. Und der Synagogenbau stellt für die Gemeinde auch einen beinahe schmerzlichen finanziellen Kraftakt dar, der sie die kommenden Jahre noch beschäftigen wird.

Malafy betont auch, dass ihr Einsatz als Motor des Synagogenbaus ohne die Unterstützung und das Verständnis ihrer Familie nicht möglich gewesen wäre. So sei "ein Wunder" entstanden.

Die Gemeinde feiert am 19. Februar nicht nur die Einweihung der Synagoge, erstmals wird seit der Reichspogromnacht ein Rabbiner in Rottweil in sein Amt eingeführt. Ganz bewusst habe man sich mit Levi Yitzchak Hefer für einen jungen Rabbiner entschieden. Die gegenseitige Sympathie habe schließlich den Ausschlag gegeben. Er spreche besonders die Jugendlichen in der Gemeinde an. Hefer werde mit seiner Frau und den beiden Kindern in die Synagoge einziehen.

Prominente Gäste erwartet

Den genauen Überblick über die Gäste beim Festakt hat Malafy noch nicht. Neben Kretschmann und Schuster werden sicher die beiden Oberbürgermeister Broß und Kubon dabeisein, ebenso die Landräte der Kreise Rottweil, Schwarzwald-Baar und Tuttlingen. Auch der Landtagsabgeordnete Stefan Teufel, der den Bau immer unterstützt habe, werde kommen. Die beiden Oberräte von Baden und Württemberg werden, so hofft sie, vollzählig erscheinen.

Wenn man die werdende Synagoge in diesen Tagen betritt, sieht man, was in ihr steckt. Im Zentrum des Gemeindezentrums steht natürlich die Synagoge selbst. Von der Frauen-Empore im Obergeschoss, Männer und Frauen sitzen getrennt, sieht man auf den Thoraschrein (Aron ha-Quodesch), in dem die drei Thorarollen aufbewahrt werden. Nebenan befindet sich ein Raum für Besprechungen der Gemeindeangelegenheiten. Dort tagt auch der Literaturverein. Es wird auch ein Treffpunkt für die Senioren der Gemeinde sein, Holocaust-Überlebende, wie Malafy betont. Daran schließt sich das Büro des Sozialbetreuers an, der ihnen bei Behördengängen und vielen anderen Dingen zur Seite steht.

Der Jugendraum ist Malafys ganzer Stolz. Hier sollen die jungen Gemeindemitglieder zusammenkommen. Ganz wichtig ist auch die Bibliothek. (Malafy: "Die Juden sind ein Volk der Bücher.") Hier steht Literatur in Deutsch, Hebräisch und Russisch, alle Gemeindemitglieder stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. Gegenüber sind das Büro des Rabbiners und dessen Wohnung. Im Erdgeschoss sind neben der Synagoge ein großer Festsaal für das gemeinsame Essen nach dem Gottesdienst sowie zwei Küchen untergebracht. Im Keller befindet sich die Mikwe, das rituelle Tauchbad.

Die Gemeinde hofft noch auf Spenden, besonders für den Jugendraum. Wer finanziell unterstützen möchte, kann sich direkt an Tatjana Malafy unter Telefon 0179/ 9 41 96 01 wenden.