Im Gewerbepark Neckartal mit seiner optischen Vielfalt zwischen Alt und Neu haben mittlerweile fast 70 Unternehmen Platz gefunden. Fotos: Scheidel Foto: Schwarzwälder-Bote

Nach fast 50 Jahren Rückzug vom Gelände am Neckar / Gewerbepark ist eine besondere Erfolgsgeschichte

Von Winfried Scheidel Rottweil. Zunächst waren es Mühlenbetriebe, dann die Herstellung von Pulver. Besonders das von Max von Duttenhofer im ausgehenden 19. Jahrhundert erzeugte Betriebsgeschehen mit seinen gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Auswirkungen ist legendär. In den 1920er-Jahren fand im tiefen Tal an der Nordseite Rottweils erstmals auch eine Kunstseideproduktion ihren Platz. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs besiegelte die Demontage der Anlagen endgültig die Produktion für militärisches Schießpulver. 1963 fasste dort dann die Rhodia Fuß, ein Tochterunternehmen der größten französischen Kunstseidehersteller. 1964 brachte ein neues Werk für die Nylonproduktion gut 1000 Menschen in Brot und Lohn, denn die in Rottweil mit bestem "Know-how" erzeugte Chemiefaser fand weltweit reißenden Absatz. 1976 begann das Geschäft deutlich schwieriger zu werden.

Die Übersättigung des Angebots, die steigende Nachfrage nach Naturfasern und vermehrte Produktionen in Billiglohnländern forderten im Rottweiler Werk großen Kampfgeist heraus. Das reichte bis 1994. Dann wurde 350 Mitarbeitern das endgültige Aus verkündet.

Da lag nun eine gut 150 Hektar große Industriebrache, auf den ersten Blick desolat und abbruchwürdig. Der damalige Werkleiter Arnd Zachrich, der den Rottweiler Rhodia-Betrieb mit aufgebaut hatte, musste eine schwierige Rolle einnehmen.

Was tun nach dem Niedergang des so sehr ans Herz gewachsenen Werks? Zachrichs verstörtes Innehalten dauerte aber nur kurze Zeit. Bald schlug sein Herzblut auch für die Wiederbelebung des Gebiets. Im Architekten Alfons Bürk fand er bei der Gebietsvermarktung einen kongenialen Partner.

Die in Würde gealterten Industriegebäude standen parat für Betriebe und Geschäftsleute. Günstig konnte man sich in einer Betriebsstätte niederlassen. Da besorgte sich auch so mancher Existenzgründer eine Startrampe für ein mit vielen Hoffnungen verbundenes Geschäftsfeld. Da ist das Veranstaltungsareal Kraftwerk der trend factory nur eines – wenngleich wohl das spektakulärste – Beispiel.

Mittlerweile sind 300 Menschen in fast 70 Betrieben auf dem Areal am Neckar beschäftigt. Manche wohnen dort auch.

Der Charme dieses Gewerbeparks, der sich seit nunmehr fast 20 Jahren immer weiterentwickelt, ist vielfältiger Natur. Wenn in alten Mauern hohe Qualität – von der Handwerkskunst bis zu Veranstaltungsangeboten – entsteht und präsentiert wird, hat das etwas Besonderes. Da werden in einem Ausstellungsraum dann auch schon mal Nobelkarossen wie solche von Daimler zur Geltung gebracht. Hermann Klos vom Team Neckartal weiß es wie andere zu schätzen, dass es auch räumlich genügend Spielraum für die Weiterentwicklung der Betriebe gibt.

Dass die Entscheidung vor knapp 20 Jahren eine Gute war, das Gebiet nicht platt zu machen für moderne und funktional vielleicht optimiertere Siedlungsformen, betont auch Oberbürgermeister Ralf Broß. Das auch mit öffentlichen Investitionen von sechs Millionen Euro entstandene kreative Gesamtpaket beinhalte eine ganz besondere Note. Dass damit gezeigt wird, dass durch das Einlassen mit Altem eine hervorragende Erfolgsgeschichte entstehen kann, die landesweit Beachtung findet, freut auch Gérard Collette, den Geschäftsführer der Rhodia Acetow, die mittlerweile sämtliche Immobilien und Grundstücke an Interessenten abgegeben hat. Am Donnerstag nun nahm die Rhodia – bei einer Feierstunde im Beisein zahlreicher Gewerbepark-Förderer – nach fast 50 Jahren endgültig Abschied aus Rottweil und grüßt fürhin aus Freiburg.

Weitere Informationen: Zur reichen Geschichte auf dem Gelände des heutigen Gewerbeparks ist mittlerweile ein "IndustriePfad" mit acht Infoinseln und 44 Tafeln angelegt. Dazu liegt jetzt das aufwändig gestaltete und von Stefan King und Hermann Klos herausgegebene Buch "Industriekultur im Neckartal Rottweil" auf, in dem auf 178 Seiten das Leben im Neckartal eindrucksvoll dargestellt wird.