Capoeira erfreut sich im Rottweiler Budo-Zentrum großer Beliebtheit. Foto: Röseler

Rio 2016: Mitten in Rottweil brasilianische Kampfkunst erleben / Akrobatische Sportart im Budo-Zentrum

Heute Nacht wird in Rio de Janeiro das olympische Feuer entzündet. Um brasilianischen Sport zu erleben, muss man aber nicht an den Zuckerhut fahren. Heiße Rhythmen gibt es auch im Rottweiler Budo-Zentrum beim Capoeira.

Rottweil. "Die brasilianische Pünktlichkeit hat sich schon eingestellt", lacht Johannes Zuch. Er unterrichtet die brasilianische Kampfsportart Capoeira im Rottweiler Budo-Zentrum. Seit weit über zehn Jahren betreibt Zuch den Sport, der für ihn zu einer Leidenschaft geworden ist.

Mit der Geschichte des Kampftanzes kennt er sich gut aus. Während der Kolonialzeit wurde Capoeira von verschleppten Sklaven aus Afrika praktiziert und weiterentwickelt. "Diese Menschen hatten damals keine Rechte", weiß Zuch. Durch musikalische Begleitung versuchten die Sklaven, ihre Kampfkunst als Gottesanbetung zu tarnen. Auch deswegen ist Capoeira spirituell angehaucht.

Heute kann jeder, der möchte, den Sport ausüben. "Capoeira ist für alle da", sagt Zuch. Man lernt seinen Körper neu kennen und gewinnt eine ganz andere Stabilität. Rhythmus im Blut zu haben, ist aber von Vorteil, denn die Musik ist geblieben und "brennt sich sofort ein". Die Freude zu spielen und zu singen, gehört ebenso dazu, wie das Spiel in der sogenannten "Roda". Dabei bilden die Sportler einen Kreis, während zwei Capoeiristas in der Mitte kämpfen. Mit Musikbögen, Trommeln, Schellenkränzen und Gesang werden die Kämpfer begleitet. "Ohne Musik gibt es kein Capoeira", sagt Zuch.

Nicht so streng, nicht so diszipliniert

Die Sportart ist sehr vielfältig und akrobatisch, hauptsächlich werden die Beine verwendet. Auch Elemente des Samba sind integriert. "Am Ende eines Events wird auch gerne getanzt", erzählt der Co-Trainer. Und so ein Event muss es in sich haben: Schon beim Training kommen die Sportler nach wenigen Minuten ins Schwitzen. Bis zu zwölf Jugendliche und Erwachsene trainieren dienstags und freitags ab 19 Uhr im Budo-Zentrum. Am Dienstagnachmittag ist außerdem der Nachwuchs dran: "Wir haben eine kräftige Kinderabteilung", freut sich Zuch. "Was die manchmal auf die Beine stellen, ist schon beeindruckend."

Da werden Räder geschlagen, wilde Drehungen und Sprünge gemacht, die auch mal im Handstand enden. Das alles sieht sehr dynamisch und leichtfüßig aus – wie anstrengend es in Wahrheit sein muss, kann man sich denken.

"Ich mag die Bewegungen und den Kampf", sagt Theresa Matthiae. Seit eineinhalb Jahren macht sie in ihrer Freizeit Capoeira. Eigentlich ist die 17-Jährige aus einem anderen Grund auf das Zentrum gestoßen. "Ursprünglich wollte ich Ju-Jutsu machen", erzählt sie. Als sie zum Schnuppertraining kam, fand aber gleichzeitig auch Capoeira statt. "Das hat mich so fasziniert, dass ich nur noch da zugeschaut habe", sagt die Schülerin. Im Vergleich zu anderen Kampfsportarten sei Capoeira nicht so streng und diszipliniert, meint sie.

Das Spiel miteinander steht im Mittelpunkt

Franz Schmider ist zum ersten Mal beim Training dabei. "Ich hatte Lust auf etwas anderes", sagt der 18-jährige Schüler, und ist nach einer halben Stunde schon voll begeistert. "Ich habe Spaß", grinst er. "Da ist von allem was dabei, gerade auch vom Turnen, das ist cool". Dem 18-Jährigen gefällt vor allem die Abwechslung und die Koordination. "Dass man zu zweit trainiert, finde ich auch gut", sagt er.

Sein Trainingspartner Andi Tullio ist seit einem Jahr dabei. Er kommt aus dem Breakdance, was man ihm ansieht. Gekonnt dreht er ein Rad über den Rücken seines Partners. "Vor allem die Akrobatik gefällt mir", sagt er. Capoeira sei ein flüssiges Ganzkörper-Workout. "Besonders das Spiel miteinander macht Spaß".

Im Laufe der Jahre hat sich Capoeira zu einer typischen brasilianischen Freizeitbeschäftigung entwickelt. Um den Ursprüngen seiner Leidenschaft auf den Grund zu gehen, ist Co-Trainer Zuch vor zwei Jahren nach Brasilien gereist. Dort, wo heute Nacht Millionen Menschen in Bewegung sein werden, war vor zwei Jahren die Fußballweltmeisterschaft. Bei seinem Aufenthalt hat Zuch auch die Schattenseiten des sonnigen Landes kennengelernt. "In den Favelas fallen öfter mal Schüsse, da sind Bandenkriege im Gange", erinnert er sich.

Wie sich solche Großereignisse wie Olympia auf die Situation in dem politisch instabilen Land auswirken, kann er nicht genau einschätzen. "Ich denke, es ist nicht schlecht, aber auch nicht gut", vermutet er. Die Regierung versuche nun, die Leute von der Straße zu holen und die Bandenkriege zu beenden. Die Kernprobleme blieben aber bestehen. Die Stadt soll herausgeputzt werden, um während der zwei Wochen, in denen alle Augen auf Rio gerichtet sind, einen strahlenden Eindruck zu machen. "Eigentlich ist Brasilien ein schönes Land", meint Zuch.

Weitere Informationen: www.budo-zentrum.de