Da schaut der große Camper alt aus: Das Minimal Mobil vereinigt zahlreiche Funktionen auf kleinstem Raum. Foto: Bürk/Merk

Fahrzeug inspiriert von Tiny House-bewegung. Zahlreiche Funktionen auf kleinstem Raum vereinigt.  

Rottweil - Warum sich in der Überflussgesellschaft nicht einfach mal auf das wenige Wesentliche konzentrieren? Das dachte sich Kerstin Bürk, als sie ihr Projekt "Minimal Mobil" startete. Dieses hat sich zu einem Riesemobil mit zahlreichen Funktionen entwickelt: Es ist Schlafbox, Miniwohnung und Geschäftsmodell in einem.

Was braucht der Mensch eigentlich zum Leben? Nicht sehr viel, findet Kerstin Bürk. Nur Sauerstoff, Nahrung und ein Dach über dem Kopf. Das bringt sie auf drei Quadratmetern unter. So viel Fläche bietet ihr selbst umgebauter Minivan, ein orangenfarbener Piaggio Porter, Baujahr 2009. Der ist ein richtiges Unikat. Nicht nur wegen der knallorangenen Farbe. Er hat auch einen eigenen Namen: "Tollpatscho". Das ist ein Wortspiel: Ihr Minivan sei ein "toller Piaggio" und daraus wurde "Tollpatscho", erklärt Kerstin.

Inspiriert von der Tiny-House-Bewegung – das sind kleine Häuser auf Rädern – dachte die 25-Jährige sich, dass sie aus dem Minivan ein mobiles Zuhause erschaffen könnte. Ihr Kleinstmobil bezeichnet sie selbst als "Extrembeispiel" für mobiles Wohnen. Sie setzt es vor allem zum Reisen ein, denn eine echte Wohnung kann es wohl nicht ersetzen.

Ihr Minimal Mobil, das auch ihr Bachelor-Projekt im Fach Architektur und Stadtplanung (Stuttgart) war, funktioniere wie ein Schweizer Taschenmesser, erklärt Kerstin, denn seine Funktionen entfaltet es durch öffnen, klappen, schieben, ziehen. "Im geschlossenen Zustand ist es nur eine Schlafbox", sagt Kerstin. Die Küche etwa öffnet sich nach außen. Dann steht ihr ein Zwei-Plattenherd zur Verfügung. "Drei-Gänge-Menüs sind hier durchaus möglich", sagt Kerstin. Tische und Regale werden ein- und ausgeklappt. Geduscht wird vor dem Van. Was fehlt, sei ein Klo, so Kerstin. Und die Wäsche bringe sie alle drei Wochen zum Waschsalon. Sonst habe es aber alles, was sie unterwegs brauche.

Von der Planung bis zur Umsetzung brauchte sie lediglich drei Monate. Die Zeichnungen fertigte sie selbst an, bei der Umsetzung half ein befreundeter Schreiner. Die große Herausforderung: möglichst viele Funktionen auf minimalem Raum unterzubringen.

An der Uni war ihr Minimal Mobil ein außergewöhnliches Projekt. Auch, weil sie sich die Aufgabe selbst gestellt hatte. Normalerweise bearbeiten Architekturstudenten ein vorgegebenes Thema. Aber sie fand einen Professor, der sie betreute, sodass Kerstin ihren Bachelor im vergangenen August erfolgreich abgeschlossen hat. Der Professor sei sogar Probe in dem Minivan gesessen und habe ihn gut gefunden, erzählt Kerstin.

Seither ist sie viel mit ihrem Minimal Mobil unterwegs. Zuerst Richtung Frankreich (Bordeaux), dann über Nordspanien nach Portugal und schließlich nach Südspanien und Andalusien. Immer am Meer entlang, denn Kerstin ist leidenschaftliche Surferin und stets auf der Suche nach guten Wellen. 20 000 Kilometer hat sie bereits mit ihrem "Tollpatscho" zurückgelegt. Bis auf einen Rohrbruch habe sie noch keine Pannen gehabt.

Meistens ist sie alleine unterwegs, trifft aber auch Freunde oder neue Leute, die sie auf ihr ungewöhnliches Mobil ansprechen, denn egal, wo sie mit dem umgebauten Minivan auftaucht: Sie zieht die Aufmerksamkeit auf sich, kommt ins Gespräch – auch mit Bloggern wie "Vanlife" oder "Reisereporter", die über sie berichteten.

Hinter ihrem Projekt steckt aber auch ein ausgetüfteltes Geschäftsmodell, denn ihr Minivan ist ein rollender Shop. Sie verkauft selbst gemachten Schmuck und Surf-Ponchos zum Umziehen unter ihrem eigenen Label "Körmi Körmet". Praktische und kreative Sachen machen ihr einfach Spaß, sagt sie. Dass sie damit auch noch Geld verdient, ist wohl ein angenehmer Nebenaspekt. Ob das auch ohne ihr auffallendes Mobil möglich wäre?

Dieses hat jedenfalls noch weitere Nebeneffekte. So hat Kerstin auf ihren Reisen mit dem Minimal Mobil auch einen bewussten Umgang mit Ressourcen erlernt. Wenn das Wasser leer ist, muss sie es selbst wieder auffüllen. Ein Kontrast zum endlosen Duschen daheim. "Das war eine interessante Erfahrung", sagt Kerstin, die mit ihrem Van vielleicht eine kleine Marktlücke entdeckt hat.

Momentan macht sie eine Reisepause und arbeitet an ihrem Buch mit dem Titel "Happiness is Homemade". Dieses richte sich nicht nur an Leser in der Küstenregion, sondern solle vor allem ein "Denkanstoß" sein, so die Autorin. Sie möchte zeigen, was auf minimalem Raum alles möglich ist. Aber auch die Philosophie dahinter soll nicht zu kurz kommen. Sie lässt sich so zusammenfassen: "Tu das, was dich glücklich macht." Kerstin tut das offensichtlich.

Info: Das Minimal Mobil

Das Minimal Mobil vereinigt zahlreiche Funktionen auf kleinstem Raum: Im geschlossenen Zustand ist es vor allem eine Schlafbox. Der Innenraum lässt sich durch umklappen der Bettteile und ausklappen des Multifunktionsregals in ein kleines Zimmerchen mit zwei Sitzgelegenheiten und einem kleinen Tisch in der Mitte verwandeln.

Wird der Van geöffnet, Sitze und Tischchen eingeklappt, verwandelt sich der Innenraum in einen Transportraum für Surfbretter oder Fahrräder. Außerdem kann aus dem Multifunktionsregal ein Tisch herausgezogen und aufgeklappt werden, wodurch eine ausziehbare Küche entsteht. Die Dusche ist nach außen verlagert: Die Trennwand wird aus der Sperrgepäckhalterung zusammengebaut, das Wasser kommt aus Abflussrohren.