So könnte laut Jürgen Kühn eine Stadtansicht ausfallen, wenn der Turm aufs Berner Feld kommt. Fotomontage: Kühn Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Wechsel des Standorts vom Neckartal aufs Berner Feld ändert nichts an der ablehnenden Haltung / Am Mittwoch ist Gemeinderat

Von Armin Schulz

Rottweil. Der Standort für den geplanten Test-Turm von ThyssenKrupp Elevator ist ein neuer: das Berner Feld. Die kritischen Fragen, die Rottweiler Bürger hierzu haben, bleiben jedoch die gleichen. Am Mittwoch ist der Turm Thema im Gemeinderat.

Ute Bott, Jürgen Kühn, Winfried Hecht, Sabine Hoffmann, Jürgen Mehl – sie alle gehören zu der Gruppe Rottweiler Bürger, die sich von Beginn an mit dem geplanten 40-Millionen-Euro-Projekt in Rottweil intensiv befassen. Mit der Zeit sind sie zu Turmkritikern geworden, inzwischen lehnen sie das Projekt entschieden ab, auch auf dem neuen Standort, oben auf dem Berner Feld (siehe auch unten, den offenen Brief an Oberbürgermeister Ralf Broß). Das hat Gründe.

Der promovierte Geograph Kühn beispielsweise misstraut bereits in der Bürgerversammlung der Aussage des Projektbetreuers, des Rottweiler Architekten Alfons Bürk. Bürks Name ist mit der Entwicklung des Neckartals zum heutigen Gewerbepark eng verbunden. Bürk behauptet in der Versammlung im Mai, erste Probebohrungen hätten ergeben, der Untergrund im Neckartal sei geeignet. Kühn ist skeptisch, befasst sich mit den Bodenbeschaffenheiten näher und kommt zum Schluss, dass aufgrund des mittleren Muschelkalks es nie und nimmer möglich sei, ein derartiges Projekt zu erstellen. Stadtverwaltung und ThyssenKrupp widersprechen. Doch Kühn behält recht. Der Turm kommt nicht ins Neckartal.

Da ist der frühere Stadtarchivar Winfried Hecht, der wohl wie kein anderer sich in der Geschichte Rottweils auskennt, Herausgeber der Rottweiler Heimatblätter ist und regelmäßig Texte über die älteste Stadt im Land publiziert. Hecht befürchtet, der 235 Meter hohe Turm – ein weiterer Mitstreiter der Gruppe, Gerd Schanz, spricht von "Wolkenkratzer" – beeinträchtige, ja zerstöre das historische Stadtbild. Kühn wiederum erschafft am Computer Grafiken, die aufzeigen, wie das Stadtbild mitsamt dem Test-Turm von ThyssenKrupp aussehen könnte. Die Firma selbst indes veröffentlicht Montagen, die die Lage offensichtlich beschönigen.

Und da sind Fragen: 84 Stück als Ergebnis eines "Workshop über Chancen und Risiken des von der Firma Thyssen-Krupp Elevator GmbH geplanten Aufzug-Test-Turms im Rottweiler Gewerbepark Neckartal". 84 kritische Fragen an die Stadtverwaltung.

Die bleiben, auch wenn der Standort ein anderer geworden ist. Die Gruppe will wissen, was der Turm der Stadt bringt, welchen Nutzen er hat, aber auch welche Risiken er birgt, was er bewirkt, welche Auswirkungen er auf Rottweil hat.

Stadt schüttelt Ass aus Ärmel: Respekt oder Argwohn verdient?

Was es mit der touristischen Nutzung auf sich hat, wer die Aufsichtsplattform bezahlt, wer für den Rückbau aufkommt, falls der 235-Meter-Turm einmal ausgedient haben sollte. Und, und, und.

Die Gruppe fühlt sich falsch informiert und, genau so gewichtig, nicht ernst genommen. Dazu trägt bei, dass die Stadtverwaltung lange Zeit verstreichen lässt und nicht reagiert. Erst jetzt meldet sich Oberbürgermeister Ralf Broß und fragt an, ob die Fragen noch aktuell seien. Sie sind es.

Zum Misstrauen der Gruppe trägt ebenso bei, dass die Stadtverwaltung zum Ende der Sommerpause ein Ass aus dem Ärmel zaubert. Der Turm kann nicht ins Neckartal, dann soll er halt auf die Höhe, ins Berner Feld. Damit landet die Verwaltung einen Coup, als sie den Gemeinderat informiert, der völlig ahnungslos ist. Er wusste auch nicht, dass bereits Probebohrungen bis in 50 Meter Tiefe stattgefunden haben und man auf Fels gestoßen sei.

Diesem Agieren kann man einerseits Respekt abgewinnen, weil die Verwaltungsspitze pragmatisch und schnell handelte. Bei der Gruppe kritischer Bürger um Bott, Kühn, Hecht und Mehl wachsen jedoch Skepsis, Argwohn und Ablehnung, weil es eben so schnell geht, weil hinter den Kulissen gehandelt wird.

Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die der Befürworter. Hierzu zählt natürlich die Verwaltungsspitze mit OB Broß und Bürgermeister Werner Guhl, ThyssenKrupp Elevator, die dort bauen will, wo sie Unterstützung erfährt, wo der politische Wille vorhanden ist, wo die Bevölkerung dahinter steht. Und der Gemeinderat. Der gesamte Gemeinderat? Bislang sieht es so aus. Dabei ist die Fraktion FFRundPRoFI immer mal wieder für eine Überraschung gut.

Wie groß die Lager der Gegner und Befürworter sind, weiß man nicht. In den Telefon-Umfragen unserer Zeitung spricht sich eine deutliche Mehrheit der Anrufer für den Turm aus. Freilich sind die Ergebnisse – einmal melden sich 348 Anrufer, zuletzt sind es 199 – nicht repräsentativ. Man kann sich nicht felsenfest auf sie berufen, aber immerhin geben sie ein Stimmungsbild wieder, auf das sich die Verwaltung stützt.

Auch die Befürworter haben ihre Gründe. Sie erhoffen sich mit dem Namen ThyssenKrupp einen Aufschwung, einen Innovationsschub für Rottweil, sprechen von der Entwicklungsachse ZürichRottweil-Stuttgart, denken, dass, wenn der Turm erst einmal steht, weitere Firmen im Hochtechnologiebereich sich in Rottweil niederlassen, setzen auf Tourismus, einfach darauf, dass der neue Test-Turm einerseits ein Magnet wird, anderseits den Namen Rottweil in die weite Welt hin-aus trägt.