Die angeklagte, allein erziehende Cindy P. soll ihr zweijähriges Kind zusammen mit ihrem Bruder zu lange in der Wohnung alleingelassen haben. Foto: dpa

Einjähriges Mädchen in Aldingen verhungert. 25-jährige Mutter wegen Mordes angeklagt.

Rottweil - Nach dem Hungertod eines einjährigen Mädchens soll die Mutter nach dem Willen der Anklage für sechs Jahre ins Gefängnis.

Die 25-Jährige aus Aldingen (Kreis Tuttlingen) habe ihrer Tochter und ihren beiden anderen Kindern wochenlang nicht genug zu Essen gegeben und sich kaum um sie gekümmert, sagte der Staatsanwalt am Donnerstag in seinem Plädoyer vor dem Landgericht Rottweil.

An Pfingsten 2012 war die Einjährige völlig entkräftet gestorben. Das sei Totschlag durch Unterlassen. Der Verteidiger sah das anders. Er warf der Polizei vor, einseitig gegen die Frau ermittelt zu haben. Das Urteil will die Schwurgerichtskammer am Dienstag verkünden. Es müssen schlimme Zustände gewesen sein, in denen die drei Geschwister lebten. „Die Wohnung war vollkommen vermüllt und verwahrlost“, berichtete der Staatsanwalt.

Die Mutter habe die Nächte oft bei ihrem Freund verbracht. Ihren achtjährigen Sohn habe sie unter Androhung von Strafe gezwungen, seine beiden ein- und zweijährigen Geschwister zu versorgen. Windeln wechseln, Essen machen, den Haushalt führen - der Junge sei völlig überlastet gewesen. Zumal es außer trockenem Toastbrot wochenlang nichts zu Essen gegeben habe. Der Kühlschrank sei zwar voll - die meisten Lebensmittel darin aber längst verdorben gewesen, so der Staatsanwalt.

Drei bis sechs Wochen lang habe die Einjährige laut Obduktion viel zu wenig zu essen gehabt. Am Ende habe sie kaum noch Muskeln gehabt, ihre Rippen seien sichtbar hervorgetreten, die Augen waren eingefallen. „Wenn sie ihre Tochter angesehen hat, dann ist ihr das aufgefallen. Und wenn sie sie nicht angesehen hat, dann ist ihr genau das vorzuwerfen“, sagte der Anklage-Vertreter. Als ihr achtjähriger Sohn sie schließlich sogar auf den Zustand des Mädchens aufmerksam machte, habe sie ihm verboten, über all das zu reden. „Ihr war bewusst, dass sie ihre Kinder vernachlässigt“, sagte der Staatsanwalt.

In der Nacht, als die Kleine starb, war die Mutter bis in den frühen Morgen hinein tanzen. Er forderte sechs Jahre Haft für die Frau, die während des ganzen Plädoyers weinte. Ihr Verteidiger hingegen übte heftige Kritik an der Arbeit der Polizei. „Diese Ermittlung war an Oberflächlichkeit nicht zu überbieten“, kritisierte er. Die Ermittlungen hätten von Anfang an nur darauf abgezielt, der 25-Jährigen zu beweisen, dass sie ihre Tochter verhungern ließ. Dabei sei völlig außer Acht gelassen worden, dass das Kind schweren Durchfall gehabt habe. Dadurch sei das Mädchen womöglich innerhalb weniger Tage so schnell abgemagert, dass die Mutter die Gefahr für das Leben ihrer Tochter gar nicht erkennen konnte. Er forderte deshalb lediglich dreieinhalb Jahre Haft.

Bei dem Urteil wird es allerdings nicht nur um den Tod des Mädchens gehen. Der Achtjährige, der seine kleinen Geschwister versorgen sollte und den Tod seiner Schwester hautnah miterlebte, musste anschließend acht Monate lang in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden. Auch das wird in das Urteil eingehen.