In diesem Teich hat sich Ende Juli eine Tragödie zugetragen. Ein kleiner Junge lag eine halbe Stunde im Wasser. Foto: privat

Ein zweijähriges Kind fällt in den ungesicherten Teich von Nachbarn und liegt jetzt im Koma.

Rottweil - Mitten in der Stadt ist beinahe ein kleiner Junge in einem Gartenteich ertrunken. Der Zweijährige liegt jetzt im Koma. Der Vater erhebt Vorwürfe gegen die Teichbesitzer. Niemand in der Nachbarschaft habe von dem offenen Gewässer gewusst, sagt er.

Manchmal verändert sich das Leben ganzer Familien, wenn der Vater nur schnell mal nach oben geht, um für die Kinder etwas zu trinken zu holen.

Es ist Samstag, der 30. Juli, nachmittags, als Skender Ferati mit seinen Kleinen vom Einkaufen nach Hause zurückkehrt. Sein Bruder wohnt in demselben Mehrfamilienhaus. Dessen Kinder spielen draußen und Ferati wähnt die Seinen gut aufgehoben beim Spielen mit den anderen. Er geht schnell mal nach oben.

Die Wohnung liegt im vierten Stock. Die Griffe sind von den Fenstern abmontiert. Er habe Angst gehabt, dass sein Sohn aus Versehen aus dem Fenster stürze, erzählt Ferati.

"Wie vom Erdboden verschluckt"

Als er mit dem Glas Saft für seinen Jungen wieder nach unten kommt, ist dieser verschwunden. Der achtjährige Neffe sagt im Scherz, dass wohl jemanden seinen Bub mitgenommen habe. Dem ist nicht so. Doch der Zweijährige ist tatsächlich weg, wie vom Erdboden verschluckt.

Es ist ungefähr 16 Uhr und eine Suche beginnt, in der auch die Polizei eingeschaltet wird. Diese beruhigt die Familie und sagt, der Sohn könne nicht einfach so verschwinden. Da hat sie recht und wiederum auch nicht.

Schließlich ist es der Vater selbst, der auf einem benachbarten Grundstück sein Kind aus einem Teich zieht. Es ist jetzt kurz vor halb fünf.

Stadtbrandmeister Rainer Müller erinnert sich mit Schrecken an diesen Einsatz, an das Leid der Familie, wie der Vater nach der Schocknachricht über den Zustand seinen Sohnes sich vor inneren Schmerz auf den Boden warf, die Frauen hysterisch weinten und schrien. "Das vergisst man nicht", sagt er.

18 Jungen und Mädchen im Vorschulalter sind einer aktuellen Statistik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zufolge im vergangenen Jahr ertrunken. Erst vor zwei Monaten endete ein Badeteich-Unfall in Aichhalden-Rötenberg für ein vierjähriges Mädchen tödlich. Wesentlich mehr Kinder überleben mit schweren, bleibenden Schäden. Nach Angaben der DLRG liege ein Aufsichtsproblem vor. Viele würden den kleinen Gartenteich nicht als Gefahr ansehen.

Wie sich das im Falle des kleinen Jungen der Familie Ferati verhält, ist noch nicht geklärt. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen den Fragen nach, ob und wie die Eltern ihrer Aufsichtspflicht und die Teichbesitzer ihrer Sicherungspflicht nachgekommen seien. Das Ermittlungsverfahren läuft. Wann es abgeschlossen sein wird, sei noch nicht abzusehen, so die Polizei.

Der 44-jährige Vater erhebt in diesem Zusammenhang Vorwürfe gegen die Teichbesitzer. Niemand in der Nachbarschaft habe gewusst, dass es einen Teich in dem Garten überhaupt gebe, der von einigen Stellen zudem zugänglich gewesen sei. Von offenen Gartentüren ist die Rede. Zudem soll der Teich nicht umzäunt oder abgesichert sein. Und dabei lebten drumherum Familien mit kleinen Kindern, für die das Gewässer eine Gefahr darstelle. Zu dem großen Schmerz gesellt sich eine zunehmende Empörung.

Ferati zeigt ein Foto vom Teich, der ebenerdig vor einem Wintergarten angelegt ist. Das Wasser schimmert grünlich. Wäre da nicht dieses rotweiße Absperrband der Polizei, niemand würde eine derartige Tragödie hinter dieser Idylle vermuten. Eine Idylle, die zur lebensbedrohlichen Falle für das Kind wurde.

Wie es dort hinkam, warum es überhaupt diesen Ort aufsuchte, sind Fragen, auf die keiner eine Antwort weiß und vielleicht auch nie erfahren wird. Eine knappe halbe Stunde muss der Junge im Wasser gelegen haben. Die Ärzte konnten ihn zwar reanimieren, sein Zustand ist überaus kritisch: Er liegt in der Villinger Kinderklinik im Koma.

Info

Die drei Grundsätze

Chefarzt Franz Spreitzer, Leiter Anästhesie und Intensivmedizin der Helios-Klinik, legt folgendes ans Herz:

1. Ganz wichtig: unverzüglich notärztliche Hilfe anfordern.

2. Falls das Kind noch schwach atmet, kann eventuell mit Atemunterstützung – also Mund-zu-Mund-Beatmung – erste Hilfe geleistet werden, bis der Notarzt eintrifft.

3. Sollte das Kind nicht mehr atmen, muss sofort mit der Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung begonnen werden. So wird erreicht, dass das Blut weiter durch den Körper zirkuliert.

Der Faktor Zeit

Der Faktor Zeit ist laut Spreitzer ganz entscheidend, wenn ein Kind leblos aus dem Wasser geholt wurde. Es bleiben maximal fünf Minuten, bevor das Gehirn bleibende Schäden durch einen Herz-Kreislauf-Stillstand davonträgt.

Erste-Hilfe-Kurse

Absolut wünschenswert wäre es laut Klinik, dass Eltern regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse besuchen, in denen altersgerechte Erstrettungsmaßnahmen geübt werden – altersgerecht deshalb, weil es ein großer Unterschied sei, ein einjähriges Kind wiederzubeleben oder ein fünfjähriges. Aber auch ohne diese Kenntnisse gilt: Der Herzdruckmassage kommt bei den Wiederbelebungsmaßnahmen eine entscheidende Bedeutung zu. Deshalb sollte sie auch angewendet werden, wenn keine Erfahrungswerte aus Erste-Hilfe-Kurse vorliegen.

Seicht und gefährlich

Kleinkinder können übrigens auch in seichten Gewässern ertrinken – Gefahr geht also nicht nur von tiefen Gartenteichen oder Schwimmteichen aus. Deshalb sollten Gartenteiche einfach eingezäunt werden, und seien sie noch so klein, da sie immer eine Gefahrenquelle für kleine Kinder darstellen.