Abteilungsleiter Andreas Reichert freut sich über die vielfältigen Kunstwerke, die die Kläranlage zum Jubiläum zieren. Die Vernissage der Ausstellung ist am morgigen Sonntag um 11 Uhr. Fotos: Siegmeier Foto: Schwarzwälder-Bote

Jubiläum: Kläranlage Rottweil wird 100 Jahre alt / Gäste aus Rottweil und dem Umland beim Festakt dabei

Sie steht zwar nicht im Fokus der Einwohner, aber dennoch möchte sie keiner missen: die Kläranlage in Rottweil. An diesem Wochenende wird das 100-jährige Bestehen gefeiert. Gestern Abend fand ein Festakt mit geladenen Gästen statt, morgen gibt es einen "Tag der offenen Tür".

Rottweil. Eines gleich vorweg: In einer Kläranlage stinkt es nicht. Ganz im Gegenteil. Wer’s nicht glaubt, der kann sich morgen selbst davon überzeugen. Ein Besuch in der Au lohnt sich. Denn ohne Abwasserentsorgung geht rein gar nichts. Das wussten bereits die Römer, machte Andreas Reichert, Abteilungsleiter der Rottweiler Stadtentwässerung, in seiner Festrede am Freitagabend deutlich.

Die Venus Cloacina war in der Antike die Schutzheilige der Abwasserableitung, zeigte er unter anderem in seiner beeindruckenden Dokumentation über die Abwasserbeseitigung von der Antike bis heute auf. Hier war auch zu sehen, dass es bereits im römischen Rottweil Abwasserleitungen gab. An der Pelagiuskirche wurden sie bei Ausgrabungen entdeckt. Aber der Fortschritt der Römer wurde im Mittelalter zum Rückschritt.

Kanalisation oder Abwasseranlagen waren im mittelalterlichen Rottweil, und den meisten anderen Städten auch, Fehlanzeige. Die Folge: fürchterlicher Gestank, Pest-Epidemien und andere Seuchen bis zum Abwinken. "Da haben wir es doch in Rottweil gut", betonte Oberbürgermeister Ralf Broß. "Die Kläranlage der ENRW versorgt seit 100 Jahren die Stadt Rottweil und auch teilweise das Umland. Die interkommunale Zusammenarbeit wird gelebt", freute er sich.

Mailand hinkte hinterher

Auch wenn so mancher staunen werde. Kläranlagen seien längst nicht überall Standard, zitierte Broß einen Beitrag des Deutschlandfunks aus dem Jahr 2003. Trotz einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1991 gab es bis 2003 noch immer Großstädte wie Mailand oder auch Brüssel, die gegen diese Verpflichtung verstoßen haben. Seit knapp zehn Jahren hätten aber auch diese Städte "nachgerüstet".

Broß hob die Kläranlage als "unverzichtbare Infrastruktur" und "bedeutende kommunale Einrichtung" hervor, auch wenn dies kaum einer wisse. Die Entsorgungsfrage werde als Selbstverständlichkeit gesehen. Was passiere, wenn Abwasser nicht ordnungsgemäß entsorgt werde, könne man in Ländern der Dritten Welt beobachten. Hier fehle es an sanitären Einrichtungen. Mangelnde Hygiene sei auch heute noch Grund für viele Seuchen in den armen Ländern. "Die Kläranlage Rottweil ist ein Vorzeigeprojekt, das für Fortschritt und Verantwortungsbewusstsein steht, auf das alle Verantwortlichen der letzten 100 Jahre stolz sein dürfen", betonte der Oberbürgermeister.

Auslöser für den Bau der Kläranlage sei die Pulverfabrik von Max Duttenhofer gewesen, sagte Christoph Ranzinger, Geschäftsführer der ENRW, in seiner Festrede. Der Pulverfabrikant habe den Bau seinerzeit mitfinanziert. 1917 habe es dann eine erste mechanische Kläranlage für die 8000 Einwohner von Rottweil gegeben, die über die Jahre an den wachsenden Bedarf Rottweils und der Stadtteile angepasst wurde.

"Aktuell sind an das Klärwerk in der Au neben der Stadt Rottweil und den Stadtteilen Göllsdorf, Hausen, Bühlingen, Neukirch, Zepfenhan und Feckenhausen auch die Gemeinden Zimmern, Deißlingen und Lauffen angeschlossen", betonte er mit Stolz. Die Kläranlage sei auf rund 52 000 Einwohnerwerte ausgelegt. Das Kanalnetz umfasse rund 192 Kilometer, das Einzugsgebiet rund 111 Quadratkilometer.

Mehr als 30 Millionen Euro seien in den vergangenen 20 Jahren in die Abwasserentsorgung investiert worden. "Die Aufgaben sind nur mit einer motivierten Mannschaft sicherzustellen. Die Mitarbeiter des ENRW-Eigenbetriebs Stadtentwässerung tun dies mit Herzblut und Idealismus", lobte Ranzinger. Zudem betonte er, dass die Kläranlagen früher der größte Energieverbraucher der Gemeinde gewesen seien, heute seien sie Energielieferanten.

Das Cello-Duo Tabea Schneider und Maxi Lorenz von der Musikschule begleitete den Festakt musikalisch.

Am Sonntag ab 11 Uhr

Beim "Tag der offenen Tür" am morgigen Sonntag ist für Jung und Alt von 11 bis 17 Uhr eine Menge geboten. Es gibt Führungen, Infostände, ein Konzert der Jugendkapelle und eine Kunstausstellung unter anderem von Schülern der Kunstschule Hohenstein.