Oberbürgermeister Ralf Broß mit Pfarrerin Esther Kuhn-Luz und Yosyp Svobodin von der Israelitischen Gemeinde Rottweil-Villingen vor dem Gebäude, in dem einst die ehemalige Synagoge zu Hause war (von links). Foto: Klossek Foto: Schwarzwälder-Bote

Zeitgeschichte: Rottweiler Bürger setzten sich mit den Geschehnissen von vor 77 Jahren auseinander

Von Nadine Klossek

Der 9. November ist ein geschichtsträchtiger Tag: 1918 rief Philipp Scheidemann die "deutsche Republik" aus, 70 Jahre später fiel die Berliner Mauer. Doch während die deutsch-deutsche Vereinigung meist positive Gefühle hervorruft, fiel auch eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte auf den 9. November: Die Reichpogromnacht im Jahre 1938. Anlässlich des 77. Jahrestags dieser Schreckensnacht, in der unzählige jüdische Gotteshäuser und Geschäfte brannten, fand man sich gestern Abend im Bischöflichen Konvikt ein, um gemeinsam den schlimmen Ereignissen zu gedenken.

Im Festsaal des Bischöflichen Konvikts war um 18 Uhr jeder Stuhl ohne Ausnahme besetzt. Als Oberbürgermeister Ralf Broß ans Rednerpult trat, verstummten die Stimmen im Raum.

"Rottweil hatte einst eine blühende jüdische Gemeinde, und alle fühlten sich durch und durch deutsch", beginnt Broß zu reflektieren. "Unsere jüdischen Mitmenschen kämpften im Ersten Weltkrieg, darunter 15 Männer aus Rottweil. Zwei von ihnen kehrten nie wieder heim."

Eine Gedenktafel soll an das Geschehene erinnern

Der OB verwies auf die Schandtaten der Nationalsozialisten, er mahnt angesichts der heutigen Situation zur Solidarität mit Minderheiten. In Zukunft soll eine Gedenktafel an die verfolgten Juden aus dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Ein Baumfeld, das symbolisch aus sieben Bäumen bestehen wird, soll ein Zeichen für die Verfolgten und Verstorbenen sein.

Auch Stolpersteine, die bereits in Städten wie Freiburg als Erinnerung an die Opfer in den Boden eingelassen sind, standen zur Diskussion. Die jüdische Gemeinde habe sich allerdings dagegen entschieden, meint Broß. "Sie wollen nicht, dass die Erinnerung mit Füßen getreten wird."

Die Feier wurde untermalt vom Klarinetten-Ensemble der Musikschule der Stadt Rottweil. Nach einem Stück von Johann Nijs erinnerten die Schüler der Klasse acht und neun der Maximilian-Kolbe-Schule an einen Rottweiler Oberlehrer, der sich weigerte, propagandistische Schriften in seinem Unterricht zu verbreiten.

"Wir Juden haben für Antisemitismus und Ausgrenzung keine Antennen. Wir sind die Antennen" prangt über der Aufführung. Ein Junge stellt symbolisch eine Antenne auf den Tisch, ein Anderer liest einen antisemitischen Kinderreim vor, um die Absurdität dieser Ideologie aufzuzeigen. Symbolisch wirft er die Antenne um, und es ertönt ein Störsignal. Die Nachricht dahinter ist klar: So etwas wie das Dritte Reich darf nie wieder geschehen.