Giora Feidmann spricht und lebt Musik, illustriert und erklärt die Stimmungen, hilft der Rezitation. Foto: Schnekenburger

Giora Feidman und Ben Becker interpretieren Paul Celan. Subtile Begleitung von Gitarre und Kontrabass.

Rottweil - Dramatisch der Vortrag, empfunden, tief empfunden, so scheint es, die Gedanken, die Bilder hinter den Zeilen: Gestern Abend gehörte die Bühne im Kraftwerk einem der bedeutendsten Dichter des 20. Jahrhunderts. Und sie gehörte einem Ensemble, das den Texten von Paul Celan Gestalt verleiht. In ihrem Projekt "Zweistimmig" nähern sich Ben Becker und Giora Feidman dem Lyriker Paul Celan. Subtil begleitet werden sie vom Gitarristen Reentko Dirks und Guido Jäger am Kontrabass.

Es ist eine behutsame Annäherung. Die Texte sind mit Sorgfalt ausgewählt, zentrale Texte aus dem dichterischen Werk, Briefe. Letztere folgen, beginnend mit einem nicht abgeschickten Brief von Ingeborg Bachmann aus dem Jahre 1948, endend mit einem Brief seiner Frau Gisèle Celan-Lestrange vom März 1970, einen Monat vor dem Suizid des Dichters, der Chronologie. Auch die Reihe der Gedichte folgt im Wesentlichen diesem Ordnungsprinzip. Ein wichtiger Aspekt für die Dramaturgie des Abends: Es darf eines nicht fehlen. Die "Todesfuge" als Verarbeitung der organisierten Vernichtung der Juden im Dritten Reich, geschrieben in den letzten Kriegsmonaten, ist einfach und in konkreten Bildern erzählt, wie doch mit einem um Genauigkeit bemühten, nicht larmoyanten doch traurigen Ton verfasst, der den Subtext greifbar macht. So ein Gedicht an solch einem Abend? Notwendigerweise! Ben Becker nimmt sich Zeit. Der Schauspieler gibt den Worten Gewicht. Seine Stimme ist ganz anders als die des Dichters, schwerer, bedächtiger, beladener. Jawohl, das ist es: Becker liest, als würde Vers für Vers schwerer auf ihm lasten. Die Stimme hält ihre – tiefe – Höhe, auch ihre Intensität, sie verliert nur leicht an Dynamik, und droht mit dem Text unterzugehen.

Da kommt Giora Feidman ins Spiel. Er eröffnet den Abend wie gewohnt mit einem Gang durchs Publikum mit einer unendlich verletzlichen Klarinettenmelodie. Er fordert Stille. Keine Andacht, nur Stille, um die Musik hören zu können. Und ausgerechnet er, der den Klezmer auf große Konzertbühnen gebracht hat und als charismatischer Künstler regelmäßig ganz in Klang aufzugehen scheint, holt den so stark auftretenden Becker wieder an die Oberfläche, richtet ihn auf, gibt ihm die Zeit, zu Atem zu kommen, Kraft zu sammeln für den nächsten Text. zwischendurch flirren silberne Gitarrenklänge. Ein Partisanenlied klingt an, ein bitteres deutsches Kinderlied, jiddische Weisen. So lässt sich auch Lyrik nach der "Todesfuge" vortragen, im zweiten Teil mit höheren Erzählanteilen. Ungebrochene Intensität und Spannung, auf Leinwand beobachtet vom Dichter selbst, der am Ende nur Gitterstäbe zwischen sich und dem Leser wähnte, den Adressaten unerreichbar.