In normalen Zeiten würde an jedem Haken ein Rad hängen. Doch durch die gestiegene Nachfrage sind Teile des Lagers fast leergeräumt. Im Laden ist trotzdem noch Auswahl vorhanden. Foto: Beyer

Bevölkerung zieht es in Krise auf die Radwege. Hersteller kommen nicht nach. Wöchentlicher Absatz verdoppelt.

Rottweil - Beim Betreten des Lagers sind zunächst noch Fahrräder im Überfluss zu sehen, egal ob Mountainbikes, Elektroräder oder Tourenräder. Einige wurden gerade erst geliefert und sind noch in großformatigen Kartons verpackt. Doch ist man erst einmal zwischen diesen Beständen durchgeschlüpft, bietet sich im hinteren Teil des Lagers ein erstaunliches Bild. Hier stehen mehrere Reihen Fahrradhalterungen hintereinander. Doch bis auf das ein oder andere einsame Bike sind sie komplett leer.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

"Normalerweise wäre zu dieser Jahreszeit dieser Teil des Lagers voll", erklärt Gunther Oefinger, der bei "Radwelt Meßmer" in Rottweil im Verkauf tätig ist. Doch dieses Jahr ist alles anders. "Seit der Wiedereröffnung haben wir fünf Wochen hinter uns, die es so in den letzten 30 Jahren nicht gegeben hat. Dementsprechend sind die Umsatzzahlen extrem", beschreibt Oefinger den aktuellen Verkaufsboom.

Wöchentlicher Absatz hat sich verdoppelt

Tatsächlich sind in der geräumigen Verkaufshalle alle Kundenberater beschäftigt und auch an der Kasse kommt es zu längeren Wartezeiten. Oefinger hofft auf das Verständnis der Kunden, zur Zeit haben er und seine Kollegen einfach enorm viel zu tun.

Genaue Zahlen kann Oefinger nicht nennen, doch die aktuellen wöchentlichen Verkaufszahlen seien "geschätzt das Doppelte von einer normalen Frühlingswoche".

Die Gründe für diese Entwicklung liegen für Oefinger klar auf der Hand. Durch Kurzarbeit hätten viele Leute mehr Freizeit, die Möglichkeiten Sport zu machen seien aber stark eingeschränkt. "Das Einzige, was übrig bleibt, ist Wandern, Joggen und eben Fahrradfahren."

Jährlicher Modellwechsel wird zur Belastung

Für die Fahrradhändler ist das natürlich ein Glücksfall. Während andere Branchen um das wirtschaftliche Überleben kämpfen, konnte der Fahrradhändler "die vier Wochen der Schließung mehr als ausgleichen." Dennoch macht sich Oefinger auch Sorgen, wie sich das Geschäft entwickeln wird, sollte sich die finanzielle Situation vieler potenzieller Kunden durch ein Andauern der Krise verschlechtern.

Sorge bereiten ihm auch die jetzt schon bestehenden Lieferengpässe. Diese seien auch auf die umstrittene Politik der Hersteller zurückzuführen, jedes Jahr ein neues Modell herauszubringen. Dementsprechend schwierig sei es, bestimmte Fahrräder zu bestellen: "Bei vielen Rädern gibt es keinen Liefertermin, weil die Modelle bereits eingestellt wurden und die neuen Modelle erst im Herbst auf den Markt kommen." Er hofft daher, dass die aktuellen Engpässe zu einem Umdenken bei den Herstellern führen.

Gänzlich ausverkauft ist die "Radwelt Meßmer" allerdings nicht, noch immer kann den Kunden eine große Auswahl geboten werden, doch "es gibt nicht mehr jedes Modell in jeder Größe", räumt Oefinger ein. Kunden mit Spezialwünschen müssen sich also auf Wartezeiten einstellen.