Für die Busfahrer der ankommenden Touristenbusse am Nägelesgraben gibt es jetzt Extra-Infos. Der Flyer zum Thema Gastronomie scheint besonders beliebt. Im Kästchen findet sich nur noch ein letztes Exemplar. Foto: Otto Foto: Schwarzwälder Bote

Tourismus: Mit dem Bus nach Rottweil – das boomt / Aufschwung muss in der Stadt erst "verdaut" werden

Die vielen Busse, die morgens nacheinander am Nägelesgraben anrollen, und auch deren Kennzeichen sprechen Bände: Rottweil ist mittlerweile fester Bestandteil im Programm vieler Reiseveranstalter. Vor allem viele neue Tagestouristen entdecken die Stadt. Der Testturm zeigt Wirkung.

Rottweil. Mit 46 Euro ist man dabei. Rottweil kompakt erleben, alles an einem Tag: Der Trip im Programm eines Busveranstalters in Heilbronn beispielsweise ist nicht etwa mit "Fahrt in die älteste Stadt Baden-Württembergs" überschrieben, sondern mit "Der Thyssenkrupp Testturm Rottweil". Zunächst werden die Teilnehmer bei einer eineinhalbstündigen Führung im Turm "über spannende Hintergründe, technische Details und vieles mehr" informiert, dann geht es hinauf zur Aussichtsplattform. Eine Führung im "mittelalterlichen Stadtkern Rottweils" schließt sich an, bevor jeder bummeln kann. 54 Euro kostet die populäre Turm-Busfahrt bei einem Veranstalter hinter Ulm – "die Innenstadt können sie nach der Turmbesichtigung auf eigene Faust erkunden". In Backnang wird für Rottweil mit der "grandiosen 360-Grad-Rundumsicht auf der höchsten Aussichtsplattform Deutschlands" geworben. Im Anschluss Gelegenheit zur Mittagseinkehr oder zum Spaziergang durch Rottweil. So oder so ähnlich spuckt das Internet reihenweise Angebote aus. Turm und Stadt im Kombipack – das läuft.

Aber es geht auch ausführlicher: Drei Tage Rotteil inklusive zwei Hotelübernachtungen mit reichhaltigem Frühstück vom Buffet im Hotel und Eintritt im Testturm für 139 Euro. "Vom Hotel in Rottweil wandern sie in etwa einer Stunde zum Testturm. Es sind nur vier Kilometer", lautet der Tipp für den Buchenden. Und: "In Rottweil wird Zukunft gebaut".

In der Tat. Der Aufwärtstrend wird auch bei der Schwarzwald Tourismus GmbH (STG), deren Gesellschafter der Landkreis Rottweil ist, registriert. "Es freut uns sehr, dass auch Rottweil einen touristischen Aufwärtstrend verzeichnen kann. Der Schwarzwald boomt und mit ihm Rottweil. Das ist ein sehr positives Zeichen, vor allem wenn man bedenkt, dass der Tourismus ein oft unterschätzter Faktor der Regionalentwicklung ist", sagt Geschäftsführer Hansjörg Mair, der betont: "Es profitiert immer die gesamte Einwohnerschaft, direkt oder indirekt." Dies habe positive Auswirkungen auch für die Industrie. Und ein funktionierender Tourismus sei immer auch ein Standortvorteil für die Rekrutierung von Fachkräften.

"Der in Rottweil erlebbare Aufschwung hängt natürlich zu einem Großteil mit dem Testturm zusammen, aber in dessen Umfeld haben sich weitere und werden sich weitere Investitionen positiv auf den Tourismus und die gesamte Wirtschaft in Rottweil und Umgebung auswirken", sagt Mair.

Dass der Touristenstrom in Rottweil zugenommen hat, ist nicht nur ein subjektives Empfinden beim Gang durch die Stadt. Mair nennt Zahlen: "Es kommen rund 200 000 Tagesgäste mehr pro Jahr durch das Ausflugsziel Testturm", weiß er. Auch die rund 2500 Turm- und Stadtführungen mit über 40 000 Teilnehmern sprechen laut Mair eine eindeutig Sprache. Im Schwarzwald insgesamt seien im letzten Jahr rund 130 Millionen Tagesgäste verzeichnet worden, mit einem Gesamtumsatz von 3,29 Milliarden Euro.

Dass Rottweil in manchen Belangen von der Entwicklung etwas überrollt wurde, ist kein Geheimnis. "Es ist klar, dass ein derartiger Boom in einer Stadt und von der Bevölkerung auch erst verdaut werden muss, so der Tourismusexperte. Das gehe nicht von heute auf morgen. "Die positive Haltung einer Stadt und deren Einwohnerschaft zum Tourismus braucht auch etwas Zeit." Die STG unterstütze dabei und wolle diesen Weg der Sensibilisierung gemeinsam mit Rottweil gehen. So werde es im Oktober gemeinsam mit den "Playern vor Ort" einen Workshop geben. Die Zusammenarbeit mit den örtlichen Verantwortlichen sei wichtig, sagt Mair, nur so könne man die in der neuen Tourismuskonzeption des Landes Baden Württemberg festgelegten Ziele erreichen. "Tourismus kann nur nachhaltig funktionieren, wenn die Einwohnerschaft die Vorteile erkennt und den Anliegen des Tourismus positiv gegenüber eingestellt ist."

Den Eindruck, dass Rottweil bislang überwiegend ein Ziel für Tagestouristen ist und weniger für Gäste, die länger bleiben, teilt auch Mair. Aber er ist optimistisch: "Ich bin mir sicher, dass attraktive Produkte vor Ort entwickelt werden, um auch Übernachtungsgäste anzusprechen."

Seine Prognose für die weitere Entwicklung? "Ich denke, in der Kombination Industrie und Tourismus steckt noch viel Potenzial. Die neue Hängebrücke, die Landesgartenschau, das sind alles Bausteine, die für eine nachhaltige Entwicklung in und um Rottweil wichtig sind." Wenn es gemeinsam gelinge, dies intelligent mit der starken Marke Schwarzwald zu verknüpfen, "dann können wir in eine positive Zukunft blicken."