Die Innenstadt ist für autofahrende Fußballfans zumindest vorerst tabu. Das Bild zeigt die Aufbruchstimmung vor dem Kraftwerk nach dem Sieg gegen Portugal. Foto: Riedlinger

Polizei sperrt nach EM-Spiel Innenstadt "zum Schutz der Anwohner" ab. Meinungen geteilt.

Rottweil - Nach dem Sieg gegen Portugal am Samstag waren Rottweils Fußballfans außer Rand und Band. Doch der Jubel wurde bei einigen schnell wieder ausgebremst – denn Polizeisperren verhinderten nach dem Abpfiff den obligatorischen Autokorso in der Innenstadt.

Es war ein Wunschergebnis, aber sicherlich kein Traumstart für Jogis Jungs bei der Europameisterschaft (EM). In der 72. Spielminute sicherte Mario Gomez seiner Elf den Sieg gegen die Portugiesen, nach dem Abpfiff atmete ganz Fußballdeutschland erleichtert auf.

Auch in Rottweil war die Freude groß. Wer das Spiel nicht zu Hause verfolgt hatte, war zum Anfeuern ins Kraftwerk oder in Kneipen der Innenstadt gepilgert. Viele Fans schwangen sich in ihrer Euphorie sofort nach dem Abpfiff mit einer Deutschland-Flagge gerüstet ins Auto – der obligatorische Korso durch die Straßen gehört zu einem Sieg bei großen Tuniern wie der EM oder der WM ja mittlerweile dazu.

Denkste. Spätestens an den Straßen, die in Rottweils neue Mitte führen, wurden die Autokorso-Fans jäh aus ihrer Feierlaune geissen. Die Polizei hatte die Innenstadt auf Anordnung der Stadtverwaltung für Fahrzeuge komplett abgesperrt. Ein Durchkommen gab es lediglich für Deutschland-Fans, die den Sieg zu Fuß feiern wollten. Die Reaktionen und Kommentare der Fans auf die Sperren sind unterschiedlich: neben Verständnis gibt es auch viele erzürnte Fußballanhänger.

Enorme Lärmbelästigung

Bernd Pfaff, Leiter des Rottweiler Ordnungsamtes, erklärt die umstrittene Aktion. "Der Schutz der Anwohner geht auch während der EM vor", betont er klipp und klar. "Ein Autokorso stellt eine enorme Lärmbelästigung dar, vor allem, wenn er erst so spät stattfindet." Schon bei den EM- und WM-Spielen der vergangenen Jahre hätten viele Beschwerden von Innenstadt-Anwohnern die Verwaltung erreicht. Dieses Jahr folgt nun also die Konsequenz.

Man dürfe sich über den Sieg freuen, keine Frage, räumt Pfaff ein, das tue er ja schließlich auch. Doch Rottweil sei keine Fanmeile: "Die Innenstadt mit ihrer besonderen Schallsituation und den engen Gassen ist hierfür einfach nicht geeignet." Ihm sei durchaus bewusst, dass die Lärmbelästigung in anderen Wohngebieten ebenfalls groß ist, "doch wir können nicht überall absperren". In diesen Fällen bleibe ihm nur, an die Vernunft der feiernden Fans zu appellieren.

Auf der Facebook-Seite unserer Redaktion ist eine rege Diskussion zum verhinderten Autokorso entbrannt, die Lager haben sich gespalten. Auch Mails zum Thema haben uns erreicht. Axel S. schlägt sich auf die Seite der Stadtverwaltung und schreibt: "Früher gab es nach einem gewonnen Finale einen Autokorso und nicht nach jedem Spiel jeder Nationalität." Vollkommen zurecht habe man die Innenstadt gesperrt. "Beim Finale darf aber gerne die ganze Nacht feiernd durch die Stadt gefahren werden", ergänzt er.

"Totaler Blödsinn", kommentiert dagegen Michael P. die Maßnahme. "Die Anwohner werden es ja wohl alle zwei Jahre aushalten, an der Fasnet wird der Lärm ja auch toleriert". Zahlreiche Facebook-Nutzer stimmen seinem Statement bei. Ordnungsamtleiter Bernd Pfaff widerspricht dem: "Bei der Fasnet handelt es sich zum einen um eine historische Veranstaltung." Zum anderen würde man große Lärmbelästigungen auch hier mit Polizeihilfe bekämpfen, sagt er, und verweist dabei auch auf das Alkoholverbot für alle unter 25 Jahren am Schmotzigen.

Ein anonymer E-Mail-Schreiber meint: "Ein Autokorso dauert maximal eine Stunde. Dann sind alle zufrieden und gehen nach Hause." Als "Spaßbremsen" bezeichnet Jörg B. die Stadtverwaltung und Marc S. findet: "Die Steuergelder könnte man auf jeden Fall besser nutzen."

Einen kleinen Trost hat Bernd Pfaff für alle enttäuschten Fußballfans dann aber doch noch in petto: "Die Vorrundenspiele über gilt die Sperrung, dann werden wir mal sehen." Vielleicht lässt die Stadtverwaltung ja also nochmal mit sich reden, sollten Jogis Jungs ins Viertel- oder gar ins Halbfinale einziehen.