Vor Gericht verweigern die Angeklagten Aussagen zu der Messerstecher im August in Tuttlingen. Symbol-Foto: Nädele Foto: Schwarzwälder Bote

Messerstecher-Prozess: Briefe eines jungen Syrers an Freundin werden vorgelesen

Die drei jungen Männer, die am 9. August des Vorjahres kurz nach 2 Uhr nachts beim Tuttlinger Rathaus einen 29-Jährigen durch Messerstiche und Fußtritte beinahe getötet haben sollen, verweigern vor dem Landgericht Rottweil die Aussage.

Tuttlingen/Rottweil (sz). Einer von ihnen, ein 24-Jähriger, ist bereit, über seine Identität auszusagen. Nach jetzigem Stand der Dinge hat er nicht zugestochen und nur Beihilfe zur Tat geleistet. Er sei syrischer Staatsbürger, obwohl 1996 in Beirut (Libanon) geboren, berichtet er. Im September 2014, mit 18, kam er nach Tuttlingen zu seinem Onkel, der dort schon seit 20 Jahren lebt. Der Neffe belegte einen neunmonatigen Deutschkurs, war in verschiedenen Jobs tätig, bis er bei einem Arbeitsunfall schwere Kopfverletzungen erlitt. Die Folge: "Manchmal bin ich unruhig und wütend", erklärt er und versichert: Alkohol oder Drogen konsumiere er nicht. Bisher blieb er auch straffrei.

Eigentlich lief seine Aufenthaltserlaubnis am 22. Juni 2019 ab. Am 9. August, als die Tat geschah, war er immer noch da. Über seine Zukunftspläne sagt er: "Ich will arbeiten und heiraten. Wie meine Eltern."

Einer der beiden mutmaßlichen Haupttäter, ein 22-jähriger Syrer, schrieb seiner Freundin, die in einer Tuttlinger Kreisgemeinde lebt, Briefe aus dem Gefängnis. Sie wurden am gestrigen dritten Verhandlungstag vorgelesen. Er habe im Krieg in Syrien schlimme Dinge erlebt, unter anderem tote Kinder gesehen. "Ich hatte Angst zu sterben und bin gekommen, um hier Frieden und Glück zu finden und mein Trauma zu überwinden." Im Gefängnis sei es schlimmer als im Krieg, klagt er. Und weiter: Er vermisse Familie und Freunde, sie, die Freundin, sei der einzige Mensch, der ihm geblieben sei, betont er in den Briefen.

"Diese Welt ist schrecklich", schreibt der 22-Jährige, der wegen versuchter Tötung angeklagt ist.

Ein Polizist, der in jener Nacht am Tatort war, berichtet, der Notarzt habe ihm erklärt, das Opfer befinde sich in Lebensgefahr. Die bis zu 8,5 Zentimeter tiefen Stiche seien gezielt ausgeführt worden, ein Stich habe die Halsschlagader knapp verfehlt.

Auch der zweite Hauptverdächtige, 28 Jahre alt, ist aus Syrien geflüchtet. Über sein Vorleben ist bisher wenig bekannt. Umso mehr über das des Opfers. Im Strafregister des 29-jährigen Mannes aus dem Kosovo sind zehn Fälle aufgeführt, wie das Gericht bekannt gab, allerdings kein Gewaltdelikt und keine Haftstrafen, sondern meist "Erschleichen von Leistungen", verbunden mit "Fälschen von Dokumenten", in Einzelfällen auch Einbruchdiebstahl oder Sachbeschädigung.

Der 29-Jährige, der als gelernter Gartenbauer arbeitete, war wegen Konflikten um die Partnerinnen in einen Dauerstreit mit seinen Widersachern geraten, der in der Messerattacke endete. Seine Frau habe die Scheidung zurückgezogen, berichtet er. Zum dritten Prozesstag erschien er nicht, ließ sich als Nebenkläger von seinem Anwalt vertreten. Der Prozess wird am 3. März um 9.30 Uhr fortgesetzt.