Fühlt sich wohl in Rottweil: Der Biber Foto: dpa

Wildtier scheint auf idyllischer Neckarinsel in Altstadtnähe Paradies gefunden zu haben.

Rottweil - Am idyllischen Neckarufer in Rottweil-Altstadt läuft des Bibers "Zimmerei" auf Hochtouren. Mit Hochgenuss bearbeitet er Bäume und beweidet die Neckarwiesen.

Im Winter ist Paarungszeit. Wenn demnächst die Jungen ins Leben gesetzt werden, soll schließlich vorgesorgt sein für ein weiterhin fröhliches Gewässerleben. Dass der Biber auf dem Vormarsch in den Rottweiler Raum ist, erstaunt Bettina Sättele nicht. Sie rechne schon länger mit seiner weiteren Ausbreitung vom Oberen Neckar her, sagt die Biberbeauftragte im Bereich des Regierungspräsidiums Freiburg bei einem Ortstermin zwischen dem Areal der Firma Müller und "der Insel" bei Lumpenmühle und ESV-Sportplatz.

Dort leistet das Flusstier jetzt ganze Arbeit. Zum Verdruss von Gartenbesitzern wurde bereits in einer kleinen Obstbaumplantage mit jungen Pflanzungen alter Obstbaumsorten Tabula rasa gemacht. Die betrübliche Erkenntnis bei Gartenbesitzern, dass sich nun der Biber die jahrelange Aufbauarbeit bei seinen Ausflügen in der Dunkelheit für eigene Belange zu nutze zu machen versucht, folgte schnell die Neugier, wo sich der muntere Geselle denn nun überall in Szene setzt. Und dafür gibt es auf dem oben genannten Abschnitt im Südosten der Stadt eine Menge Anschauungsunterricht.

Fast wie mit der Säge bearbeitet, zeigen sich in besagtem Obstgarten die Stümpfe abgenagter kleinerer Gehölze. Auf dem weiteren Weg fallen schnell auch stattliche Weidenbäume in den Blick, in die sich Meister Biber förmlich hineingefressen hat. Besonders Weichholz kommt ihm zupass, weiß Bettina Sättele. Zudem fällt auf, dass vor allem Apfelbäume dem eigentlich scheuen und vornehmlich nachts auf Beutezug gehenden Wildtier, das aber auch schon am helllichten Tag beim Grasen auf dem ESV-Sportgelände gesichtet wurde, Gaumenfreuden zu bereiten scheinen.

Manchmal braucht es Kompromisse

Kräftig geholzt wird von dem umtriebigen Gewässerbewohner aber auch wegen seines Triebs, Dämme zu bauen, um für sein feuchtes Eldorado eine gute Wassertiefe zu gewährleisten.

Diese Biber-Passion kann auch mal schnell zum heiklen Thema werden. Ein Fan wie Sättele weiß deshalb auch, dass das leidenschaftliche Eintreten für den Biber von einem soliden Rundumblick begleitet sein muss. Kompromisslösungen bei der Lebensraumgestattung der grundsätzlich stark geschützten Tiere können dann gefragt sein, wenn zum Beispiel Uferböschungen abzubrechen drohen oder der Betrieb von Wasserkraftanlagen in Gefahr gerät. Dann werden dem Geschöpf mit dem knackigen Biss im Zuge von Objektschutzmaßnahmen auch mal menschlicherseits die Zähne gezeigt – in übertragenem Sinne. Und sowieso nicht – wie in früherer Zeit – durch Kohldampf schiebende Leute mit Messer und Gabel, und auch nicht mit mehr oder weniger brachialen Fangmethoden. Vielmehr ist heute ein geschmeidiges Abdrängen der Tiere gefragt, wenn sich diese gar zu penetrant in des Menschen Hoheitsgebiet aufzuspielen versuchen.

Wenn Bettina Sättele in Sachen Biber zu dieser im Namen des Natur- und Umweltschutzes geprägten Einstellung resümiert, dann fällt der Blick schnell mal zurück auf Zeiten, in denen der Biber – quasi nicht Fisch noch Fleisch – als "Herrgottsbescheisserle", wie später dann die Maultaschen, herhalten durfte.

Überhaupt: So etwa zwischen 1830 und 1850 sei der Biber so bejagt gewesen, dass seiner Ausrottung hierzulande nichts mehr entgegenzusetzen war. Hunger und die Fellverwertung hätten ihn völlig von der Landkarte verschwinden lassen.

Expertin Sättele vermutet stark, dass sich die Biber-Neubesiedlung in der Region vornehmlich durch Entwicklungen in den zurückliegenden Jahrzehnten "die Donau aufwärts" ergeben hat. Und jetzt gehe es eben vom Neckarursprung aus gewässerabwärts.

Apropos Objektschutz: Der könnte jetzt auch bei der neuen Rottweiler Biber-Offensive ins Spiel kommen. Die Waldorfschule hat das kleine Wasserkraftwerk auf der Insel im Filztal aufwendig modernisiert. Projektleiter Volker Bucher hofft, dass sich der Biber nicht in dem für die Elektrizitätsgewinnung genutzten Kanal zu Schaffen macht. Ein Aufstau hinter dem Kraftwerk könnte das Gefälle so verringern, dass sich bei dem damit verbundenen Leistungsabfall das auch unter schulpädagogischen Gesichtspunkten entwickelte Vorhaben nicht mehr rechnen würde. Da wäre dann ein Fall eingetreten, bei dem dem Biber mit Vergrämungsmaßnahmen "mental" so auf die Füße getreten werden könnte, dass er sich bei seinem Tun wieder auf die Hauptader des Neckars, wo er im Moment ohnehin die markanten Zeichen seiner Aktivität hinterlässt, als das ihm zugestandene Refugium konzentriert.

Als unwahrscheinlich gilt, dass Biberpopulationen an einer von ihnen besiedelten Strecke überhand nehmen. Zu Revierabgrenzungen legten die Tiere ein rigides Verhalten an den Tag. Etwa ein Kilometer betrage die Länge dieses meist von einem Tier beherrschten Territoriums, sagt Bettina Sättele.

Nach Paarungszeit und Aufzucht könnte es deshalb am Neckar bald weitergehen mit der Biberwanderschaft.

Das Fachbüro für Biberfragen (E-Mail: saettele-biberfragen@t-online.de, Telefon 0174/3 01 27 16; Bettina Sättele, Hochener Straße 21 in Uhlingen-Birkendorf) wird häufig auch im Auftrag des Regierungspräsidiums tätig. Auch Gerhard Jäckle aus Dunningen steht als ehrenamtlich Tätiger gerne für Biberfragen zur Verfügung.

Für Gehölzschutz stellt das Land über örtliche Kontaktstellen Material für Umzäunungen zur Verfügung. Einen Ausgleich für entstandene Schäden gibt es indes keinen.