Die Diebe haben es vor allem auf Metall abgesehen. Foto: dpa

Räuberbande aus Rumänien steht in Rottweil vor Gericht. "Als Zigeuner hat man in der Gesellschaft keine Rechte."

Rottweil - Der »Pate« regiert im Hintergrund und behandelt seine Zulieferer wie Marionetten. Das Bild armer Sünder geben indes die sechs derzeit wegen schweren Bandendiebstahls vor der 1. Großen Jugendkammer am Landgericht Rottweil stehenden Angeklagten ab. Den »Paten« – dessen richtigen Namen wollen sie nicht kennen, wie sie vor Gericht tapfer beteuern – nennen sie auf Rumänisch nur den »fliegenden Händler«. Wenn die Männer mit ihren Auto- und Metalldiebstählen beschäftigt sind, macht die Bezeichnung häufig respektvoll die Runde. In Rumänien sei der Ausdruck aber ein Schimpfwort und bedeute so etwas wie übler Geschäftemacher, erklärt die Dolmetscherin.

Zwischen 19 und 41 Jahre alt sind die Mitglieder des Sextetts, das sich von Dortmund aus zu »Einsätzen« in Süddeutschland aufmachte und vor allem bei zahlreichen Firmen in den Kreisen Rottweil, Schwarzwald-Baar und Tuttlingen hohe Schäden im sechsstelligen Bereich verursachte. Hochkonjunktur hatte die Bande vor allem zwischen Ende Oktober und Anfang November 2013.

Kommissar Zufall hilft bei Festnahme

Kurz nach der letzten Tat war das Sextett in Nordrhein-Westfalen bei einer Verkehrskontrolle durch Kommissar Zufall aufgegriffen worden. Jetzt wollen sie mutig den drohenden Haftstrafen entgegenblicken und dem »fliegenden Händler« keinen Anlass zu Unmut geben.

Mit brachialer Gewalt wurden in einer Firma Transportfahrzeuge gestohlen, um damit – meist in der Nähe des ersten Tatorts – in einem anderen Betrieb ebenso rigoros tonnenweise Messing, Metall oder Aluminium zu entwenden. Mit der heißen Ware ging es ab in Richtung Ruhrpott. Dort lauerte der »Pate«, der die Ladungen – oft im Wert zwischen 35.000 und 60.000 Euro – mit anderen Hintermännern, entgegennahm, um sie am im Metallgeschäft tätige Hehler zu verscherbeln. Seine sechs Handlanger wurden danach in einer finsteren Kneipe mit einigen Hundert Euro abgespeist.

Das jetzt vor Gericht gezeichnete Bild zu dieser neuerlichen Verhandlung gegen eine auf Metalldiebstahl spezialisierte osteuropäische Bande zeigt Angeklagte aus der Bevölkerungsgruppe der Roma, die von der Hand in den Mund leben. Von Spanien aus haben die meisten den Weg nach Deutschland gefunden. Der 19-Jährige kam erst wenige Tage vor seinem ersten »Einsatz«. Bei ihm reichte es bis zur Festnahme nur noch zu einer weiteren Tat.

Mit großen Kulleraugen schildert der junge Mann sein rastloses Leben, bei dem er mit zwölf von zu Hause fortkam, weil der Vater einen Hilfsjob in Spanien und später in England hatte. Was er selbst so gemacht habe, fragt ihn der Richter. »Die Zeit totgeschlagen«, sagt er treuherzig mit offenem Augenaufschlag. Manchmal habe er Fußball gespielt. Wegen einer Schlägerei und Diebstahls ist er bereits aktenkundig.

»Als Zigeuner ist man eine Person, die in der Gesellschaft keine Rechte hat«, betont ein etwas älterer Angeklagter. Alle erhoffen sich durch Geständnisse günstigere Urteile. Zunächst waren acht Verhandlungstage bis zum 18. Juli anberaumt. Beim Versuch einer Verständigung zur Straffung des Verfahrens zwischen Gericht, Staatsanwalt und der Seite der Angeklagten war in Reihen der Anwälte das Erstaunen groß, als der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer für »die Indianer« trotz »Rabatts« Strafmaßvorstellungen von 1,9 bis 4,3 Jahren in den Raum stellte. Die Anwälte verwiesen auf die alles planenden Hintermänner.

Der Richter hakt weiter nach. Warum besuchten sie von den Dörfern in Rumänien aus, wo sie herkommen und unter einfachsten Verhältnissen gelebt haben, kaum die Schule? Von den Angeklagten wird immer wieder betont, »dass Zigeunern alle Türen zugeschlagen werden«, wie der zweite Dolmetscher übersetzt. Auf eine Berufsausbildung verweist nur der 41-Jährige. Er will sich über viele Jahre in ganz Europa ganz gut durchgeschlagen haben, »weil die Leute schnell merken, dass ich ein guter Mechaniker bin«. Allerdings gab es immer nur bar auf die Hand, »schwarz« ohne Sozial- oder Krankenversicherung.

Was er sich für die Zukunft erwartet, ist eine Frage des Vorsitzenden Richters an den zweitjüngsten Angeklagten. »Was das Gericht entscheidet. Wenn ich keine Haftstrafe verbüßen muss, will ich nach Rumänien zurück«, lässt er übersetzen. Diese Botschaft vermitteln die beiden abwechselnd tätigen Dolmetscher auch von den meisten anderen Angeklagten. Einer indes sieht seinen Familienclan seit 2013 in einer Sozialwohnung in Dortmund untergebracht. Die Lebensbedingungen dort scheinen ihm – obwohl er sich angesichts mangelnder Schul- und Ausbildung wenig Chancen auf eine reguläre Arbeit ausrechnet – im Moment besser zu gefallen als die in seinem Heimatland.

Unklar, ob auch Hintermänner geschnappt werden

Die Taten, die der Prozess in Rottweil zu beleuchten hat, könnten ähnliche Hintergründe haben wie andere Raubserien nach ähnlich gestricktem Muster, die landauf, landab immer wieder gemeldet werden. Menschen, die nicht zuletzt aufgrund ihrer ethnischen Herkunft in nahezu allen Gesellschaften Benachteiligungen und Ächtung erfahren, werden mit Versprechungen nach einem schnellen Euro zu Werkzeugen skrupelloser Hintermänner. Bereits in jungen Jahren beginnt ein Teufelskreis, bei dem kriminelles Handeln zum Überlebenskampf gehört.

Dass durch Erkenntnisse aus dem Verfahren in Rottweil auch Hintermännern und Hehlern – trotz des weitgehenden Schweigens der Angeklagten zu deren Identität – vielleicht der Prozess gemacht werden kann, scheint durchaus möglich. Nicht nur die rumänische Bar in Dortmund, die als Drehachse für die Raubzüge dient(e), ist längst im Fokus der Ermittler. Dort wurden der Bande die Pläne für die Einbrüche im Schwarzwald und auf dem Heuberg an die Hand gegeben.

Der »fliegende Händler« wird sich, wohl bis er sich selbst einmal hinter schwedischen Gardinen wiederfindet, für sein »Gewerbe« neue Gefolgsleute suchen, die wieder zu vielem bereit sind, – auch dazu, bei ihrem gefährlichen Tun dem drohenden Knast klaglos ins Auge zu sehen.