Brauchtum: Rottweiler verabschieden sich mit Musik von hohen Tagen / Aufsagen macht die Fasnet zu etwas Besonderem

Das war sie, die Fasnet 2019: geprägt von Brauchtum, vielen Begegnungen, herzhaftem Lachen und Fröhlichkeit. Allen, denen das jetzt schon fehlt, können sich freuen. Denn bis zur nächsten Fasnet dauert es nicht einmal ein Jahr.

Rottweil. Während die Narren noch übers Straßenkreuz Richtung Friedrichsplatz ziehen, gibt es eine letzte Terminansage. "Also, um halb sechs. Es wäre schön, wenn Ihr da wäret", ist och einmal großes Treffen. Dort, wo der Narrenmeister und seine Mannen rund 54 Stunden zuvor die Macht übernommen und die Fasnet ausgerufen haben, droht jetzt das Ende einer Epoche jener Zeiten, die seit jeher von Jahr zu Jahr "glanzvoller" werden. Ob da überhaupt noch Steigerungen möglich sind, sei einmal dahin gestellt. Wenn ja, dann war’s in diesem Jahr möglicherweise eine. Trotz Stress und Frust im Vorfeld, von wegen "unsere Fasnet kaputt machen" mit solchem Vereinsgebaren und Warnung vor dem Vielnarren, trotz langer Vorfasnet, die die "höchsten Feierdäg" gefühlt glatt in den Frühling verschob, trotz Sturm und Regen.

Wäre ja noch schöner. Und, nein, bei aller Wertschätzung für die kritisch beäugten Verdienste der Stadt und ihrer Bürger – die Narren schaffen ihre eigenen Superlative. Gut, wenn’s ohne Testturm nicht geht, dann gibt es eben ein Konzept, das den Testturm zum noch besseren, weil funktionableren, größeren, schöneren, überhaupt den Turm schlechthin macht, und wenn die Hängebrücke schon nicht kommt, dann kann man doch gleich ’was ganz anderes planen. Das kann dann der neue Gemeinderat machen, den manche Narren auch schon ausgezockt haben. Ob sie Recht behalten werden? Recht haben jedenfalls alle Narren, die sich das Jahr hindurch – oder halt auch erst die letzten paar Tage mit ganz viel Erinnerungskraft an die vergangenen Monate – Gedanken gemacht haben, was sie an der Fasnet so vortragen könnten. Zählt man alle Missgeschicke zusammen, die sich in den Narrenbücher wiederfinden, rechent man alle politischen Vabanque-Spiele hinzu, die gerade noch einmal glücklich ausgegangen sind – man könnte kaum auf die Idee kommen, dass es Rottweil so gut geht. Aber: Erstens weiß man nicht, was andernorts noch so wie Kaugummi unterm Tisch klebt, zweitens braucht man andernorts erst einmal eine adäquate Bewältigungsstrategie und drittens kann man andernorts nicht mit dem gewaltigen Akkord von Turm, Hängebrückenplan, älteste Stadt, Jazzfest, Forum Kunst, Ferienzauber, Rottweiler Fasnet, Rottweiler überhaupt, Römer, Augenwende, Duttenhpofer und Federahannes auftrumpfen. Der Fortschreibung der Siegesstraße steht also nix im Weg. Oder doch? Es sei versichert, dass Geld allein jicht glücklich macht, heißt es. Und hier steht es. Also stimmt es wohl. Also steht Rottweils nicht nur bei der Landesgartenschau blühender Zukunft nichts im Weg.

Aufgesagt wird auch in unserem Fasnetsbesen "Zum Rottweiler Narrenblättle" in der Redaktion. Drei Narren haben sich dafür mit dem Thema Stadtmöblierung befasst. Die Siegerentwürfe für Bänke und Sitze aus Metall kommen ihnen doch ein wenig unbequem und langweilig vor. Wieso denn nicht die gelben Säcke nutzen, die dank der Abfuhr am Montag neuerdings das ganze Wochenendeüber sowieso in der Innenstadt herumliegen? "So Sitzsäcke sind au ganz modern", meint das Trio. Auch für den Testturm haben die Narren eine Idee. Eigentlich müsste man ihn doch situationsbedingt beleuchten können – an der Fasnet natürlich in Gelb und Schwarz. Und mit entsprechendem Aufsatz könnte er dann zur längsten Peitsche der Welt werden.

Andere Narren, ein Schantle und ein Fransenkleidle, verteilen Postkarten, auf denen sie eine "Glückselige Fasnet 2019" wünschen. Und der Nachwuchs zeigt sein selbst gemaltes Narrenbuch. Darin geht es unter anderem um eine Frau, die beim Skibasar ein echtes Schnäppchen gemacht hat: eine Ausrüstung für die Piste. Bis sich dann im Sportgeschäft, beim Einstellen der Bindung, herausstellt, dass die Skier eigentlich für den Nachwuchs und auch noch viel zu kurz sind.

Ein echtes Narrenstückle erlauben sich vor Ort derweil drei freche Schantle. Sie ziehen sich kurzerhand in unsere Küche zurück und "organisieren" sich dort ein Bier, was sie dem Sekt vorziehen.

Dass die Fasnet eine Zeit der Kreativität ist, beweist neben Narrenbüchern und kunstvoll gestalteten Handhebeten auch manche gastronomische Einrichtung, die mit Einfallsreichtum glänzt – und Geschäftssinn. Im Schaufenster in einem Dönerimbiss am Friedrichsplatz beispielsweise hängen zwei Schilder nebeneinander: Glühwein 2,50 Euro, steht auf dem einen. Und auf dem anderen: WC-Gebühr ein Euro. Na, da kriegt man doch was für seine Geld.

Zurück in den Besen. Dort durften wir wieder viele Narren, darunter sogar ein Rössle mit Treibern, und Leser begrüßen. Wir haben ein Fransenkleidle und einen Schantle wiedergetroffen, die eine "ambulante Fernbeziehung" führen, zahlreiche Stammgäste, aber auch Gäste, die zum ersten Mal vorbeischauten. Auch mit vier Bühlingern machten wir Bekanntschaft. Dort, so war zu hören, blühen bereits die Tulpen – handelt es sich bei Bühlingen doch um den südlichsten Stadtteil. Die Fasnet bietet eben viele Einblicke.

So lässt sich der letzte Narrenmarsch mit Blick aufs Schwarze Tor doch einigermaßen ertragen. Auch wenn die Wehmut groß ist. Was jeder in diesem Moment weiß: ’S goht dagega.

Wir sagen Danke für Ihren Besuch, für alles Aufsagen, alle Begegnungen und Gespräche in unserem Redaktionsbesen. Schön war’s!