Pandemie: In der Konrad-Witz-Straße werden jede Woche Lieder angestimmt / Spaß an Solidaritätsaktion gefunden

Rottweil (fs). Straßenmusik ist einem in der historischen Innenstadt Rottweils vertraut. Doch in den Außenbereichen? Die untere Konrad-Witz-Straße hat immerhin das Glück, einmal im Jahr Live-Musik zu erleben – wenn die Turmbläser vom Hochturm aus auf den Advent einstimmen. Doch völlig neu ist, dass nun Musik von der Straße zum Turm hoch erschallt. Nicht ins Blech geblasene, sondern aus vielen Kehlen gesungene. In Corona-Zeiten wurde es in der Konrad-Witz-Straße seit März zur wöchentlichen Gepflogenheit – eine Art Straßenkultur.

Den Anstoß dazu gab das Singen und Musizieren von Balkon zu Balkon im schwer geplagten Quarantäne-Italien, und danach die einmalige Aktion, in der auch in Deutschland Menschen mit der Beethoven-Hymne "Dank an die Freude" dem Virus trotzten. Das ließ Ulrike Moser als Anwohnerin der Konrad-Witz-Straße nicht kalt.

Sie rührte in der Nachbarschaft kräftig die Werbetrommel für eine Teilnahme an dieser Aktion. Ihr Antrieb? "Corona verlangt räumlichen Abstand, doch gemeinsames Singen schafft emotionale Nähe", meint sie. Und sie bringt günstige Voraussetzungen mit: Die ehemalige Musiklehrerin spielt E-Piano und Gitarre und besitzt zudem eine kleine Verstärkeranlage.

Diese Solidaritätsaktion im März machte dann so viel Freude, dass die Nachbarschaft sich wünschte, das dürfe nicht einmalig bleiben. Und so formierte sich mittlerweile ein "Corona-Chörle", wie Moser ihre Schar nennt, die sich seither Woche für Woche in korrektem Corona-Abstand auf bereitgestellten Stühlen niederlässt oder gar eigene Hocker mitbringt – alle Samstag- oder Sonntagabende, je nach Witterungsprognose. Und immer wieder gesellen sich neue Sangeslustige dazu. Dann wird kräftig gesungen und musiziert.

Zur Orientierung drückte Ulrike Moser allen vier Ordner mit einem Repertoire von mehr als 300 Liedern in die Hand. Die Sängerinnen und Sänger können dann vorab schon mal ihre persönlichen musikalischen Wünsche anmelden, aus denen Moser dann ein rund einstündiges Programm zusammenstellt. So entsteht jedes Mal ein buntes Potpourri aus Gassenhauern und Schlagern, aus Protestsongs und alten Volksliedern, das alle Geschmäcker und Stimmungen bedient. Auch zufällig vorbei schlendernde Passanten fühlen sich oft angezogen von dieser ungewöhnlichen Straßenmusik, bleiben verwundert stehen – und manche singen sogar spontan mit.