Fotos: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Stückbox Basel führt Arbeit von Dmitrij Gawrisch im Zimmertheater auf

Was hält Asylsuchende dort, wo sie ankommen? Und wer bestimmt über ihren Zustand? Im Zimmertheater gibt es ein besonderes Gastspiel: Mit "Brachland" präsentiert sich Stadtschreiber Dmitrij Gawrisch als Dramatiker.

Rottweil. Zu Gast ist die Basler "Stückbox", ein Theaterprojekt, das dem Text verpflichtet ist. "Der Text soll nicht verdeckt werden, sondern trotz Inszenierung im Vordergrund bleiben", erklärt Ursina Greuel, die das Projekt vor eineinhalb Jahren ins Leben gerufen hat. Konzentration auf den Text bedeutet, das erklärt Greuel am Donnerstagabend vor der Gastspielpremiere, kaum oder kein Bühnenbild, kein Kostüm. Außerdem ist in der Stückbox auch der Autor eingebunden, Teil des Teams.

So gesehen ist das Gastspiel mit den drei Aufführungen für Gawrisch, dessen "Brachland" im Januar in Basel Premiere feierte, ein doppeltes Heimspiel: Da ist die Stückbox als eine "Arbeitsheimat", und da ist das Stadtschreiberamt, das ihm Rottweil temporär ebenfalls zu einer "Heimat" macht.

Für Oleg und Iwan geht es in gewissem Sinne auch um Heimat. "Brachland" ist die Geschichte der beiden Brüder, die in den Westen kommen. Oleg, der jüngere, gespielt von Jonas Gygax, wirkt besonnener. Er wurde von der Familie auf die Reise geschickt, verbunden mit der Idee, dass er diese aus dem reichen Ausland künftig wird finanziell unterstützen können. Iwan, hier gibt es ein Wiedersehen mit Robert Baranowski, der auf dieser Bühne beispielsweise bereits als "Woyzeck" zu erleben war, reist seinem jüngeren Bruder nach. Er ist eher ein Haudrauf, einer, der es mit der Legalität im Zweifelsfall nicht so sehr hat. Das bleibt nicht ohne Folgen – bis hin zum körperlichen Angriff. Ganz anders Oleg. So scheint es. Seine Äußerungen bezüglich seiner Bemühungen, ein Auskommen zu finden, könnten schlicht erfunden sein. Das Auskommen, das real ist, liegt in der Beziehung zu einer Frau begründet. Mit guter Karriere, mit gutem Verdienst – und jetzt auch mit Mann: Oleg wird legal. Die Frau, deren Tasche Iwan gestohlen hat, Ärztin Petra (Agnes Lampkin), nimmt die beiden auf, bietet Unterstützung an, geht eine Beziehung mit Oleg ein. Iwan darf im Keller bleiben, Oleg darf den Garten machen. Im Frühjahr. Ob es dazu kommt, bleibt offen. Immerhin verdient er ein bisschen eigenes Geld.

Das ist der Kern, aus dem Gawrisch ein Geflecht aus Beziehungen entwickelt, die sich verändern, womit sich wiederum die Rahmenbedingungen für die Befindlichkeit der Personen ändern. Denn in Wirklichkeit geht es wohl darum, wie es den Menschen geht. Am Schluss kann man feststellen, dass das Glück keinen ereilt. Die Familie kommt in der alten Heimat nicht richtig vom Fleck, obwohl es Unterstützung gibt, Oleg und Iwan finden sich in der neuen Heimat nicht richtig zurecht. Das Ganze ist mit Symbolen aufgeladen. "Brachland" ist vielleicht konkret die Baustelle, an der das Spiel anfängt und vorläufig endet, es ist auf jeden Fall die Heimat. Für Oleg und Iwan ist der Ort der Herkunft Brachland, von Erinnerung und Sehnsucht belebt. Doch auch der neue Ort ist Brachland. Beiden fehlt das Handwerkszeug, um dieses zu kultivieren. So gesehen ist das Bild von Acker und Ernte aus der Ferne, von Beet und Radieschen aus der Zukunft hoch aufgeladen.

Die Inszenierung und das Spiel geben dem durchaus Raum, oder besser: Leben. Die Beziehungen zwischen Petra und Iwan, Petra und Oleg, den beiden Brüdern und den Brüdern und ihrer Familie werden auf der aus einfachen Elementen bestehenden Bühne durchkonjugiert, teilweise fast körperlich. So wird nicht nur die Verfassung der Personen spürbar. Die Visualisierung geht weiter, wobei die Intensität des Spiels immer wieder gebrochen wird. Die knappe Ansage der Szenen-Nummer, oder die fast schelmisch wirkende Erklärung zur Verwendung setzen Zäsuren zwischen die Teile, sprechen das Publikum auf einer neuen Ebene an und schärfen den Blick – und das Ohr.  Am heutigen Samstag ist "Brachland" noch einmal im Rottweiler Zimmertheater zu sehen. Die Aufführung beginnt um 20 Uhr.