Viele sind sich unsicher, sind die Maßnahmen der Behörden nun wichtig oder nicht? Erste Analysen zeigen, dass die Einschränkungen die gewünschten Wirkungen erzielen. Foto: Kimmich

Zwiespältige Reaktionen auf gut gemeinte Hilfe. Facharzt hält Maßnahmen für notwendig.

Rottweil - Sind die Maßnahmen zur Verlangsamung der Pandemie in Deutschland sinnvoll? Oder spaltet Covid-19 die Gesellschaft? Jedenfalls: Corona ist das Wort der Stunde.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

"Atemschutzmaske auf, Handschuhe an, Desinfektionsspray in die Hosentasche und ab zum Wocheneinkauf." Oder: "Heute gehen wir zu den Nachbarn zum Grillen, morgen bringen wir die Kinder zu Oma und übermorgen treffen wir uns mit Freunden zur Corona-Party." Die Corona-Maßnahmen scheinen die Gesellschaft zu spalten, und das nicht nur wegen des Abstands, den man einhalten soll. Denn nicht jeder glaubt, was er in den Medien hört und sieht.

Verschiedene Erfahrungen verdeutlichen die Situation. Eine junge Mutter, wohnhaft in einem Rottweiler Mehrfamilienhaus, meinte es gut, als sie einen Zettel im Treppenhaus anbrachte, der die Mitbewohner darauf hinwies, Treppengeländer und Lichtschalter häufiger zu reinigen. Ausgerechnet diejenigen, die die Mutter damit schützen wollte, nämlich ein älteres Ehepaar, klingelte jedoch aufgebracht an ihrer Türe: Reicht das denn nicht aus, wenn Kehrwoche ist? Dann sollen die anderen eben Handschuhe anziehen!

Maximal fünf Patienten sind im Wartebereich

Ähnlich erging es einer Mutter aus Peterzell, die solidarisch sein wollte: "Ich dachte mir, ich spende dem Supermarkt einige selbstgenähte Atemschutzmasken. Doch die angespannte Verkäuferin erwiderte nur, dass sie so etwas nicht bräuchten." Am Ende geht es in den Diskussionen immer um das eine Kernthema: Sind die Maßnahmen übertrieben oder sollten lieber noch strengere eingeführt werden?

Lungenfacharzt Klaus Halm hat dazu in Abstimmung mit Petra Sostak vom Gesundheitsamt Rottweil und Thomas Sterzing von der Kreisärzteschaft einige Fragen beantwortet und spricht über Maßnahmen in seiner Praxis, um die Verbreitung einzudämmen. "Grundsätzlich werden alle Patienten mit einem leichten, respiratorischen Infekt nur telefonisch beraten und auch telefonisch krankgeschrieben". Für notwendige ärztliche Untersuchungen seien sogenannte Corona-Schwerpunktpraxen gedacht, in denen nur ambulante, schwerer erkrankte Infektpatienten nach vorheriger Überweisung des Hausarztes behandelt werden sollen. "Alle Mitarbeiterinnen der Praxis tragen spezielle Schutzmasken, bei Patientenkontakt risikoadaptierte Handschuhe, Kittel und oder Schutzbrille", schildert Halm. "Im Anmeldebereich wurde eine Plexiglasscheibe installiert. Im Wartezimmer befinden sich maximal fünf Patienten, um einen Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Patienten warten – sofern möglich – außerhalb der Praxis und werden per Handy informiert, unmittelbar bevor sie untersucht und behandelt werden können. Die Patienten werden am Vortag des Termins angerufen, nach Hinweisen auf einen Atemwegsinfekt befragt und entsprechende Maßnahmen getroffen. Bei Risikopatienten wird die Notwendigkeit einer Kontrolle kritisch geprüft, gegebenenfalls die Kontrolle verschoben. Unser derzeit größtes Problem ist die Knappheit der Schutzausrüstungen!"

Ausgangssperre wäre sehr einschneidend

Die von der Regierung festgelegten Maßnahmen hält er für sinnvoll und unbedingt notwendig, um eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Besonders wichtig sei das Kontaktverbot. "Eine Ausgangssperre ist natürlich effektiv, aber sehr einschneidend, insbesondere, wenn sie auf unbestimmte Zeit gelten soll."

Riskant sei das Coronavirus für Menschen mit zunehmendem Alter vor allem ab 70 Jahren, für Erkrankte mit einer chronischen Lungen- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung und für Erkrankte, bei denen das Immunsystem medikamentös unterdrückt werden muss oder nicht gut arbeitet, wie Patienten mit Rheuma oder transplantierte. Bei chronisch Lungenkranken hänge das Ausmaß der Gefährdung davon ab, wie schwer die Atemfunktion ohnehin schon beeinträchtigt ist. Eine Übertragung von der Mutter auf das ungeborene Kind sei nach den Daten, die aus China vorliegen, eher auszuschließen. Es gebe jedoch zu wenige Erfahrungen, um eine verlässliche Aussage treffen zu können.

An einem Impfstoff werde mit Hochdruck gearbeitet. "Es könnte trotzdem sechs Monate oder länger dauern, bis ein verlässlicher Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht", so Halm.