Überschaubar war die Zahl der Bürger, die sich gestern Abend für das Turm-Projekt von ThyssenKrupp Elevator in Rottweil interessierten. Foto: Nädele

Gemeinderat geht geschlossen Schritt in Richtung "Power-Tower". Stadt bereitet Planverfahren vor.

Rottweil - Den ersten kleinen Schritt in Richtung "Power-Tower" hat der Gemeinderat gestern Abend gemacht – mit einstimmigem Beschluss, aber nach durchaus emotionsgeladener Diskussion. Die Stadtverwaltung hat den Auftrag erhalten, das Planverfahren vorzubereiten.

Vor allem eins hat die Mehrheit der Stadträte klar gemacht: Sie wollen den von ThyssenKrupp Elevator geplanten Aufzugstestturm im Neckartal nicht voller Begeisterung durchwinken, sondern zügig ins Planverfahren einsteigen, um in diesem Prozess dann Antworten auf alle offenen Fragen zu bekommen – und damit eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu haben. Am 5. Juni soll der Beschluss zum Einstieg in das Planverfahren gefasst werden.

Bedenken, die in der Bürgerversammlung laut wurden und die auch eine Bürgerin in der Sitzung vorbrachte – von der Verschandelung der Stadtsilhouette über die Beleuchtung, die Standsicherheit oder die Beeinträchtigung der Anwohner durch Schattenwurf – sollen und werden im Laufe des behördlichen Verfahrens zum Tragen kommen. Außerdem wird die Offenlegung der Pläne für die Bürger länger als üblich erfolgen. Weitere Maßnahmen sollen helfen, das Projekt greifbarer zu machen: So ist geplant, einen großen Ballon am Standort steigen zu lassen, der die tatsächliche Höhe des Turms markiert und deutlich macht, von wo aus er wirklich sichtbar ist.

Der 235-Meter-Riese als neues Wahrzeichen der ältesten Stadt Baden-Württembergs – eine Riesenchance für die einen, eine Bedrohung für die anderen. Auch wenn es gestern nicht um ein grundsätzliches Ja oder Nein zum Turm ging, brachten die Fraktionen ihre Linie deutlich zum Ausdruck – und da prallten Welten aufeinander. Dass Heide Friederichs (FFRund PRoFi) gleich zu Beginn den Nutzen des Turms für Rottweil in Frage stellte, das rasche Tempo des Prozederes bemängelte und auf alle Fragen vor dem Einstieg ins Planverfahren eine Antwort will, sorgte bei CDU, FDP und den Freien Wählern schon für unwilliges Kopfschütteln.

"Der Turm ist eine Chance für uns und hat kein Risiko"

Dass sie sich dann aber noch den frühen Zeitpunkt der – von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen und vom Gemeinderat beschlossenen – Bürgerversammlung auf die eigenen Fahnen schreiben wollte (zumindest ließ das ihre Formulierung vermuten) sorgte für Tumult am Ratstisch. In bewährter Weise legte Fraktionskollege Max Burger noch eins drauf: In der Bürgerversammlung seien die Anwesenden "besoffen geredet worden", meinte er zu der mit 420 Bürgern "nicht repräsentativen" Veranstaltung. "Eine Unverschämtheit", konterte Walter Stegmann.

Der Fraktionssprecher der Freien Wähler brachte das Projekt auf folgenden Nenner: "Der Turm ist eine Chance für uns und hat kein Risiko". Natürlich könne man für die Zukunft keine verlässliche Prognose abgeben, aber die Chance, dass das Projekt Rottweil einen Schub gibt, sei da. "Und wir bezahlen den Turm ja nicht", so Stegmann. Jetzt müsse das Projekt angeschoben werden, damit es durch die Fachbehörden weiter überprüft werden könne.

Die Aufgabe der Stadt sei es nun, Modelle zur touristischen Nutzung zu entwickeln. Die Freien Wähler könnten sich vorstellen, dass die Stadt die Plattform anmietet, um die Nutzung für die Öffentlichkeit zu gewährleisten. Für ThyssenKrupp sei eine Aussichtsplattform nicht zuletzt auch "Sympathiewerbung". Was das historische Stadtbild angeht, bezog Stegmann klar Position: "Die Entwicklung der Stadt wird ablesbar an ihren Türmen." Früher waren es die Kirchen, im 20. Jahrhundert habe man den Wasserturm gebaut, jetzt sei es an der Zeit, das 21. Jahrhundert zu dokumentieren.

FDP-Fraktionssprecher Gerhard Aden hält es für einen "unschätzbaren Imagevorteil für Rottweil", wenn die Stadt nicht, wie ursprünglich einmal gedacht, mit einem modernen Gefängnis assoziiert wird, sondern mit dem höchsten Aufzugsturm Europas. Nachdem man mit der Gefängnisansiedlung Schiffbruch erlitten habe, sei der Turm nun quasi der "Strohhalm", nach dem man greife, auch wenn dieser ziemlich dick und hoch sei. Und auch wenn er bezüglich Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer Ernüchterung mit sich brächte. "Der öffentliche Zugang zum Turm ist ein absolutes Muss", betonte Aden. Dies müsse langfristig vertraglich geregelt werden, genauso wie ein eventuell nötiger Rückbau nach einigen Jahrzehnten.

Der öffentliche Zugang ist es auch, was der SPD besonders am Herzen liegt – ganz abgesehen von den vielen Fragen, die noch zu klären sind. "Um genau abwägen zu können, müssen wir die Diskussion weiterführen und ins Planverfahren einsteigen", so Fraktionssprecher Winfried Wössner.

Günter Posselt (CDU) betrachtete die Diskussion nicht durch die lokale, sondern die globale Brille: Ein weltweit tätiger Konzern investiere viele Millionen in Deutschland und stärke so den Forschungs- und Entwicklungsstandort. Wenn Kommunen solch ein Projekt ablehnen, dann werde auch dieser Konzern irgendwann in Fernost produzieren. "Wir in Rottweil dürfen eine derartige Entscheidung nun mittragen", so Posselt. Doch wer den nächsten Schritt nicht gehe, könne nicht abwägen.

"Der öffentliche Zugang ist ein absolutes Muss"

Gesagt, getan: Bei einer Enthaltung von Heide Friederichs ("Ich kann jetzt nicht dafür oder dagegen sein") wurde die Stadt beauftragt, das Planverfahren "unter Berücksichtigung der Anregungen und Bedenken aus der Bürgerversammlung" vorzubereiten. "Dass wir hier an die Weltwirtschaft anknüpfen können, dürfen wir uns nicht entgehen lassen", so OB Ralf Broß. Er versicherte: "Für die öffentliche Zugänglichkeit gibt es eine klare Zusage von ThyssenKrupp, und das wird so auch eingetütet". Zudem gebe es bezüglich der gastronomischen Nutzung "bereits Interesse von Dritten".

Gerhard Thumm, Entwicklungschef bei ThyssenKrupp Elevator, wiederholte, dass man der touristischen Nutzung "nicht im Weg stehen" werde. Und er widersprach nicht, als Stadtbaumeister Lothar Huber deutlich machte, dass für die Planungs- und Beratungskosten nicht die Stadt, sondern der Investor zahlen müsse. Alfons Bürk, Rottweiler Architekt und Vermittler des Projekts, warb abschließend mit viel Herzblut für den Power-Tower und forderte alle auf, keine Angst vor Visionen zu haben. Das Verfahren werde nun Antworten auf alle Fragen geben – und ein großer Ballon über dem Neckartal macht den Anfang.