Foto: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder Bote

In Rottenburg wurde auch die Kepplerbrücke (Bild) gesprengt / Daimler baute einen Stollen in der Justizvollzugsanstalt

Drei Luftangriffe waren 1945 in Rottenburg der Anfang vom Ende des Zweiten Weltkriegs: Am 26. Februar, am 1. April, der damals ein Sonntag war, und am 17. April. Dabei wurden 21 Menschen getötet und 20 verletzt. Damit ging in Rottenburg vor 75 Jahren der verheerende Zweite Weltkrieg zu Ende, dem Millionen Menschen weltweit zum Opfer fielen.

Rottenburg. Am 18. April kamen die französischen Panzertruppen durchs Weggental, und da deutsche Truppen wenige Stunden zuvor die drei Rottenburger Neckarbrücken gesprengt hatten, blieb der südliche Stadtteil Ehingen noch bis zum 22. April unbesetzt. Bei Kampfhandlungen wie bei einem sich über den Neckar hinweg entwickelnden Gefecht kamen elf Menschen ums Leben. Auf der Ehinger Seite im Deichelweiher brannten mehrere Häuser ab, und viele andere wurden durch Geschosse teilweise schwer beschädigt.

Deutsche Truppen jagen die Neckarbrücken in die Luft

Bis 1948 blieb die französische Besatzung in der Stadt. Fast alle Rottenburger Bürger verbrachten die letzten Kriegstage in ihren Kellern, es herrschte banges Warten auf das Ende der Luftangriffe. Nicht nur in ganz Europa, sondern auch in Rottenburg haben sich die Kriegsjahre in die Geschichte eingeprägt und für zahlreiche schwere Schicksale gesorgt.

Während der Zeit des Nazi-Regimes wurde das ehemalige Oberamt 1934 in Kreis Rottenburg umbenannt. 1938 wurde der Kreis Rottenburg 1938 im Zuge der Verwaltungsreform während der Nazi-Zeit in Württemberg aufgelöst. Seither gehört die Stadt mit ihrem Umland zum Landkreis Tübingen.

Schreckliche Dinge widerfuhren vielen Menschen am Ende des Zweiten Weltkrieges. In der Zeit des Nationalsozialismus in Rottenburg wurde Bischof Joannes Baptista Sproll 1938 aus seiner Diözese verbannt. Dennoch kam es 1940 durch seine Amtsvertreter in seinem Namen zu einem offenen Protest gegen die Euthanasiemorde. In Hailfingen wurde 1944/45 ein Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler/Struthof errichtet, um die Zwangsarbeiten am Militärflugplatz in Hailfingen noch auszuweiten. Es kam dort und in der Folge durch die Aushungerung zur Ermordung vieler Gefangener zu schrecklichen Gewalttaten. Eine Informationstafel am Ende der Rollbahn erinnert an dieses Geschehen, seit Juni 2010 gibt es eine KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen.

Kurz vor Ende des Kriegs wurde in Berlin-Plötzensee der in Rottenburg geborene und von den Nazis abgesetzte württembergische Staatspräsident Eugen Bolz hingerichtet. Eine Gedenktafel an seinem Haus Königstraße 15 erinnert an den Zentrums-Politiker und Hitler-Gegner, ebenso ein Mahnmal auf dem Eugen-Bolz-Platz.

1945 wurde Rottenburg Teil der Französischen Besatzungszone und erfuhr somit 1947 die Zuordnung zum neu gegründeten Land Württemberg-Hohenzollern, welches 1952 im Land Baden-Württemberg aufging. Im Rahmen der Gemeindereform Anfang der 1970er-Jahre wurde Rottenburg dann zur Großen Kreisstadt mit seinen zahlreichen Stadtteilen. Dies war möglich, da Rottenburg damals mehr als 20 000 Einwohner hatte.

Doch zurück zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Rottenburg: 18. April 1945 – Das französische Heer kommt mit seinen Panzern über das Weggental in Rottenburg an. Deutsche Truppen jagen die Neckarbrücken in die Luft. Nach Schusswechseln setzt der französische Kommandant zwei Tage später einen vorläufigen Bürgermeister ein, ein Bürgerrat entsteht, die ersten Zerstörungen werden beseitigt.

Am 8. Mai 1945 dann kapitulierte Deutschland. In Rottenburg fand der Krieg schon etwas früher sein Ende. Insgesamt hatte man in Rottenburg im Vergleich zu anderen Städten wie Stuttgart, oder Heilbronn eigentlich Glück oder einfach weniger Pech. Von den 1536 Hauptgebäuden in der Rottenburger Kernstadt wurden 41 komplett durch Bomben der Tiefflieger der Alliierten zerstört und 538 unterschiedlich stark beschädigt. Die Teilorte kamen meist glimpflicher davon.

Auch die Rottenburger Justizvollzugsanstalt war vom Krieg betroffen. Hier fand das geheime Projekt "Jaspis" statt. Die Firma Daimler-Benz verlegte nämlich 1944 seine Produktion aus Sindelfingen in den heutigen Baresel-Steinbruch. Die Lage direkt an den Eisenbahnschienen war für die Produktion ideal. Die Reichsbahn fuhr direkt vorbei und die Waren konnten direkt geliefert und wieder abtransportiert werden. Tragisch und menschenunwürdig war der Umgang mit den Arbeitskräften und den Gefangenen. Dort mussten die Häftlinge aus dem Landesgefängnis schuften – wegen Unterernährung, überschwerer Arbeit und Misshandlungen war oft der Tod die Folge. Dem Leiter des Gefängnisses wurde nach dem Krieg der Prozess gemacht, der Daimlerstollen durch mehrere Sprengungen zerstört.

Mehrere Stolpersteine erinnern in Rottenburg an die Geschichte und die Schicksale der jüdischen Bevölkerung. Etwa unweit des heutigen Gebäudes der Polizeibehörde. "In der Nähe des Polizeigebäudes erinnert ein Stolperstein im Bürgersteig an die Jüdin Albertine Dierberger. Sie war die einzige Jüdin, die im Alter von 70 Jahren aus dem Konzentrationslager zurück nach Rottenburg kehrte. Sie wurde hier jedoch ziemlich allein gelassen", schildert Stadtarchivar Peter Ehrmann im Gespräch mit unserer Zeitung. Dies zeige nicht zuletzt den negativen Umgang mit der Geschichte direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Am 20. April 1945 errichteten die Bürger einen Bürgerrat. In einem Schreiben riefen dessen Mitglieder die Rottenburger Bevölkerung dazu auf, dem Elend ein Ende zu bereiten. "Eine Auflehnung gegen die Besatzung würde die Stadt in noch größere Mitleidenschaft ziehen, es geht um euer Wohl", so der gemeinsame Ton. Die Geschichte lebt – auch 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.